Sonntag, 25. Juli 2010

Wieder zu Hause

So, ich bin wohlbehalten zurück aus Duisburg, und habe so lange die Gastfreundschaft meiner Bekannten annehmen dürfen, bis ich gut aus der Stadt heraus kam. Halbwegs ausgeruht habe ich meine Physis auch, nur die Psyche macht noch nicht so richtig mit.

Warum nicht, wo ich doch gar nicht auf der Loveparade war? Nun, der Schock sitzt trotzdem tief, wenn in der selben Stadt, in der ich gerade bin, Menschen bei einer Veranstaltung umkommen. Zudem wollten wir ja indirekt teilhaben, indem wir in den Medien das Ganze verfolgten. Und dann das Ungeheuerliche...

Auf der Fahrt zurück nach Hause ging mir das Folgende nicht mehr aus dem Kopf, es setzte sich darin fest, wie mit Widerhaken: Nun haben sie die letzten Reste einer Parade der Liebe auch vollends gekillt. Verkürzt gesagt: Die letzten Spuren von etwas, das an Liebe, Glück und Freude erinnern sollte, werden getilgt.

Ja, und dann kam ich zu Hause an, ruhte ein wenig, schaltete dann den PC ein, rief die Nachrichten auf, und was sah ich? Die Loveparade wird es nicht mehr geben - die Fuckparade aber schon...

Vielleicht sind diese Gedanken absurd, aber wer noch etwas Gefühl bewahren konnte, der stösst auf solche Gedanken - und der Schrecken über die Toten wandelt sich in die Frage an die Lebenden: "Welches Leben weiterhin, welche sogenannte Liebe?"

Das, was die Politik mit den Menschen veranstaltet, führt immer mehr zum Absterben der Gefühle, zu deren Flucht in den inneren Untergrund, wo dann ein dicker Deckel darüber gestülpt wird - wie bei dem Srkophag in Tschernobyl. Nichts weniger, was die Politik gebrauchen kann, sind echte Gefühle - womöglich noch mitmenschliche und auf das Lebendige gerichtete Gefühle - oder sogar echte Liebesgefühle mit Bestand. Dass das ja nicht wieder einreisst...

Vielleicht bin ich noch zynisch, aber die Nachrichten, die ich lese, sind dementsprechend. "Alle Unterlagen zur Loveparade bei der Bundespolizei gelöscht", meldete der Spiegel - die Sueddeutsche hingegen behauptet, es sei noch alles da. Die Wahrheit liegt vielleicht mal wieder irgendwo mittig - ein Teil gelöscht, der Rest da - wer weiss...

Hier war ich noch in Duisburg: http://amkaminfeuer.blogspot.com/2010/07/entsetzen.html


Auch die gemeinsamen Freunde von Inge von Desparada News und mir sind gesund und zu Hause. Sie wollten ja zur Loveparade, waren schon sehr früh in Duisburg, sahen sich das Ganze an, als noch fast kein Mensch da war, und bekamen Bedenken: Sie schätzten, dass wenn viele Menschen kommen würden, dann wäre es verdammt eng - und zwar so eng, dass ihnen mulmig wurde. So eingekeilt wollten sie nicht feiern, verloren die Lust. Sie verzichteten, und fuhren schon zurück, als die anderen erst zu feiern begannen.

Die Erleichterung darüber, dass es allen gut geht, die wir kennen, hält sich mit der Erschütterung über das Geschehene die Waage - und immer wieder kriecht ein kalter Schauer über den Rücken, bei dem Gedanken, dass es anders ausgehen hätte können.

Das, was von der Loveparade noch übrig war, stellte nur noch einen müden Abklatsch dessen dar, was einmal die Grundidee und früher darunter zu verstehen war. Es ist genauso wie im sonstigen Leben dieser Gesellschaft, wo Demokratie, Menschlichkeit, Liebe - das Miteinander der Leute - auch nur ein müder Abklatsch dessen darstellt, was das Grundgesetz einmal fetgelegt hatte - was die Idee war, nach Hitler für viele Menschen. Aber, der Rest, der bedauerte, dass Hitler verloren hatte, der hat sich gut gehalten und seine Sache weiter gegeben, - diee Ideen verbreitet, und es scheint, dass ein Teil davon schon wieder sehr fruchtbar gedeiht.

Die Welt hält diesmal still, denn wenn es viele machen, fällt es nicht mehr so auf. Was ist dagegen schon das letzte Röcheln unter den Zuckungen dessen, was einmal ein Protest war gegen eine solche Gesellschaft? Was ist schon das Sterben der Loveparade, wenn die Menschlichkeit ausgerottet wird?

Meine Gedanken sind noch bei den Opfern, und den Angehörigen. Ihnen gilt mein Beileid und Mitgefühl.

Samstag, 24. Juli 2010

Entsetzen

Da war ich also unterwegs, und kam noch halbwegs früh in Duisburg an. An die Loveparade hatte ich bewußt auf der Rückreise von einem anderen Ort nicht gedacht. Warum nach Duisburg hinein? Ich war lange unterwegs gewesen, und in Duisburg habe ich liebe Bekannte.

Wir hatten telefoniert zuvor, und sie waren zu Hause. Sie gehören nicht zur Szene in Bezug auf die Loveparade, sind auch schon etwas älter, aber doch noch sehr interressiert. Also, lief das Rundfunkgerät und später der Fernseher. Bevor ich bei meinen Bekannten war, kam ich noch ein wenig in Duisburg selber herum, zwangsläufig, hatte auch noch etwas zu mir genommen, und ich empfand die Stimmung allgemein als gut und locker.

Wir sahen uns also gutgelaunt die Loveparade an, und freuten uns, dass alles gut zu klappen schien. Auch das wetter spielte halbwegs mit. Ein Nachbar meiner Bekannten, der kurz hereinschaute, meinte dazu, dass das Wetter einen echten Raver nicht erschüttere. Also, begannen die Leute auf dem Balkon zu grillen, der war überdacht, konnte also auch nichts passieren, und nebenbei war eben Loveparade.

Das Wetter hielt, war angenehm in den Temperaturen, also zum Feiern eigentlich optimal. Es ging dem Abend zu, und wir wurden träge, schwelgten in Gedanken bei früheren Zeiten. Wir erinnerten uns gerade lachend an frühere Berichte über die Loveparade, besonders an jenen von Gotthilf Fischer bei der Parade im Drogenrausch, als in unser Gelächter allmählich Gesprächsfetzen drangen, die von einem schrecklichen Ereignis redeten.

Es wurde still, denn was da berichtet wurde, war nichts Gutes - Tote hatte es gegeben, und das Chaos griff nach der Stadt Duisburg, ich würde wohl noch bei den Bekannten bleiben müssen. Wie wird man fertig damit? Schlecht, denn auch wenn wir nicht direkt dabei waren, galten unsere Gedanken den Menschen dort, die in der gleichen Stadt starben, in der ich zu Gast war. Das Erschütternde ist, dass es dann passiert, wenn Menschen feiern und sich freuen wollen. Wir freuten uns mit, und dann der Schock...

Wir werden wohl nicht viel Schlaf haben diese Nacht. In Gedanken sind wir bei den anderen, und ich warte auf den Moment, an dem die Strassen wieder freier sind, um nach hause fahren zu können.

Mein Mitgefühl gilt den Menschen da draussen, und den Angehörigen.