So, ich bin wohlbehalten zurück aus Duisburg, und habe so lange die Gastfreundschaft meiner Bekannten annehmen dürfen, bis ich gut aus der Stadt heraus kam. Halbwegs ausgeruht habe ich meine Physis auch, nur die Psyche macht noch nicht so richtig mit.
Warum nicht, wo ich doch gar nicht auf der Loveparade war? Nun, der Schock sitzt trotzdem tief, wenn in der selben Stadt, in der ich gerade bin, Menschen bei einer Veranstaltung umkommen. Zudem wollten wir ja indirekt teilhaben, indem wir in den Medien das Ganze verfolgten. Und dann das Ungeheuerliche...
Auf der Fahrt zurück nach Hause ging mir das Folgende nicht mehr aus dem Kopf, es setzte sich darin fest, wie mit Widerhaken: Nun haben sie die letzten Reste einer Parade der Liebe auch vollends gekillt. Verkürzt gesagt: Die letzten Spuren von etwas, das an Liebe, Glück und Freude erinnern sollte, werden getilgt.
Ja, und dann kam ich zu Hause an, ruhte ein wenig, schaltete dann den PC ein, rief die Nachrichten auf, und was sah ich? Die Loveparade wird es nicht mehr geben - die Fuckparade aber schon...
Vielleicht sind diese Gedanken absurd, aber wer noch etwas Gefühl bewahren konnte, der stösst auf solche Gedanken - und der Schrecken über die Toten wandelt sich in die Frage an die Lebenden: "Welches Leben weiterhin, welche sogenannte Liebe?"
Das, was die Politik mit den Menschen veranstaltet, führt immer mehr zum Absterben der Gefühle, zu deren Flucht in den inneren Untergrund, wo dann ein dicker Deckel darüber gestülpt wird - wie bei dem Srkophag in Tschernobyl. Nichts weniger, was die Politik gebrauchen kann, sind echte Gefühle - womöglich noch mitmenschliche und auf das Lebendige gerichtete Gefühle - oder sogar echte Liebesgefühle mit Bestand. Dass das ja nicht wieder einreisst...
Vielleicht bin ich noch zynisch, aber die Nachrichten, die ich lese, sind dementsprechend. "Alle Unterlagen zur Loveparade bei der Bundespolizei gelöscht", meldete der Spiegel - die Sueddeutsche hingegen behauptet, es sei noch alles da. Die Wahrheit liegt vielleicht mal wieder irgendwo mittig - ein Teil gelöscht, der Rest da - wer weiss...
Hier war ich noch in Duisburg: http://amkaminfeuer.blogspot.com/2010/07/entsetzen.html
Auch die gemeinsamen Freunde von Inge von Desparada News und mir sind gesund und zu Hause. Sie wollten ja zur Loveparade, waren schon sehr früh in Duisburg, sahen sich das Ganze an, als noch fast kein Mensch da war, und bekamen Bedenken: Sie schätzten, dass wenn viele Menschen kommen würden, dann wäre es verdammt eng - und zwar so eng, dass ihnen mulmig wurde. So eingekeilt wollten sie nicht feiern, verloren die Lust. Sie verzichteten, und fuhren schon zurück, als die anderen erst zu feiern begannen.
Die Erleichterung darüber, dass es allen gut geht, die wir kennen, hält sich mit der Erschütterung über das Geschehene die Waage - und immer wieder kriecht ein kalter Schauer über den Rücken, bei dem Gedanken, dass es anders ausgehen hätte können.
Das, was von der Loveparade noch übrig war, stellte nur noch einen müden Abklatsch dessen dar, was einmal die Grundidee und früher darunter zu verstehen war. Es ist genauso wie im sonstigen Leben dieser Gesellschaft, wo Demokratie, Menschlichkeit, Liebe - das Miteinander der Leute - auch nur ein müder Abklatsch dessen darstellt, was das Grundgesetz einmal fetgelegt hatte - was die Idee war, nach Hitler für viele Menschen. Aber, der Rest, der bedauerte, dass Hitler verloren hatte, der hat sich gut gehalten und seine Sache weiter gegeben, - diee Ideen verbreitet, und es scheint, dass ein Teil davon schon wieder sehr fruchtbar gedeiht.
Die Welt hält diesmal still, denn wenn es viele machen, fällt es nicht mehr so auf. Was ist dagegen schon das letzte Röcheln unter den Zuckungen dessen, was einmal ein Protest war gegen eine solche Gesellschaft? Was ist schon das Sterben der Loveparade, wenn die Menschlichkeit ausgerottet wird?
Meine Gedanken sind noch bei den Opfern, und den Angehörigen. Ihnen gilt mein Beileid und Mitgefühl.
Auf Wiedersehen, liebe Leser!
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Es folgen traurige Zeilen – aber keine tragischen. Ich bedanke mich
herzlich, liebe Leser. Aber man geht nie so ganz.
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vor 8 Monaten
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