Mittwoch, 10. August 2011

Antwort und Gedanken zu "gut und böse"

Gedanken zu...

...Suses Artikel, und der Antwort eines jungen Mannes in England.

Hier der Link zu Suses Artikel:

http://amkaminfeuer.blogspot.com/2011/08/gut-und-bose.html


Und hier der Link zu der Geschichte mit dem jungen Mann in England:

http://worldblog.msnbc.msn.com/_news/2011/08/07/7292281-the-sad-truth-behind-london-riot


Es stimmt schon, dass die Abstraktionen eine Menge anrichten. Vor allem wird die Realität der Menschen - in den Menschen - alles das, was Menschsein betrifft, nicht mehr wahrgenommen. Viele Menschen kennen die Situation, wenn sich die Ärgernisse und Frustrationen an einem Tag zu einem Gebirge aufzuhäufen scheinen, und ein Punkt erreicht wird, an dem so ein betroffener Mensch sagt: "Jetzt darf nichts und niemand mehr kommen, es reicht einfach. Der Nächste, der mich jetzt auf die Palme bringt, - der Nächste der an der Türe schellt, der kann etwas erleben."

Und, es schellt dann ganz bestimmt an der Türe - es sind garantiert nicht die Zeugen Jehovas, wie sonst meistens. An so einem Tag ist es der Hausbesuch des Jobcenters, der Vermieter, oder sonst eine wichtige Person, und bekommt die volle Ladung ab - womit weiterer Ärger programmiert ist.
Warum kann das passieren? Weil keiner erst einmal fragt, wie es den Menschen geht. Jedenfalls will fast keiner die Wahrheit hören.
Viele Menschen reden - wenn sie nicht gerade über ihre Arbeit, oder ihre Geschäfte eine Einigkeit erzielen müssen - aneinander vorbei. Sie tun das in einer Totalität, in der nichts mehr zueinander passt. Es ist, als würde jeder Einzelne der Beteiligten ein Selbstgespräch führen. Das Einzige "Verbindende" dabei ist, dass sie es zu gleicher Zeit am selben Ort tun.

Intelligente Antworten finden auf die Probleme der modernen Zeit, war einmal eine Forderung. Früher wurde behauptet, dass Frauen nicht abstrakt denken könnten...
Letzteres dürfte inzwischen widerlegt sein, und die intelligenten Antworten gibt es auch, allerdings haben es diese Antworten schwer in einer Welt der abstrakten Entfremdungen. Intelligenz ist ja nicht zwingend zugleich Abstraktion. Diese ist es, die den Menschen - in seinem Denken, Fühlen, Empfinden - in seiner Ursprünglichkeit und Direktheit - daraus wegführt, hin zur Unaufrichtigkeit und Abgespaltenheit von allem Wirklichen.

Es ist genau das, was uns zu Hungernden sagen läßt, sie sollen schweigen - sie sollen nicht dauernd an sich selber denken, denn es gibt noch Schlimmeres: Verhungernde!... - sie sollen kein Mitleid mit sich selber haben, kein Gefühl für sich...
Sie sollen abstrahieren, genau wie jene, die ihnen das sagen.
Sie sollen sich abspalten von sich selber, von ihren Gefühlen, von ihrem Zustand.
Sie sollen quasi beim "Kohldampf schieben" gefälligst gut und kämpferisch drauf sein.
Anmutig womöglich noch, denn Armut hat was, ist schön für die anderen, wenn sie anmutig und würdig einherkommt...

An solchen Beispielen wird ersichtlich, was unsere abstrahierte Realität nicht nur mit dem menschlichen Geist, sondern mit dem Menschsein und dessen Möglichkeiten überhaupt anrichtet. Diese Art des menschlichen Daseins ist längst ausgefiltert, die Gefühle sind zurechtbereinigt. Tatsächliche Vorgänge und Gründe der Menschen werden nicht mehr in Betracht gezogen, sind uninterressant geworden,- der Zugang dazu erscheint verschlossen,- der Tunnelblick bestimmt die Betrachtungsweise, ohne, dass es irgendwie auffällt und bewußt wird.

Das Menschsein wurde also reduziert zu Gunsten von Beherrschbarkeit und Erfolg. Der Rest aber versinkt allmählich in Destruktivität. Der Berg an Frustration und Problemen ist für viele Menschen einfach zu gross geworden, nicht mehr zu übersehen. Dieser Berg lugt über alle Abstraktionen hinweg hinter diesen unerbittlich hervor, und läßt sich nicht mehr verdrängen.

Jene, die in der Abstraktion befangen sind, leugnen auch die Zerstörung, das Reduziertsein. Die "Schutzschicht" der Abstraktionen sorgt dafür, dass diese Leute ihre eigene Beteiligung bei allen diesen Prozessen, die unsere Welt und uns selber fertig machen, nicht erkennen müssen. Ursache und Wirkung sind getrennt worden. Die Menschen handeln für den Fortschritt, für die Sicherheit, für die Stabilität... --- des Landes, der Währung, des Friedens...
Aha, und wo sind die Menschen bei dem allem?

Doch wer so fragt, nach den Menschen, nach dem Direkten, dem Unverklausulierten, der wird als Feind ausgemacht - gegen den Fortschritt, gegen die Sicherheit, gegen die Stabilität, gegen den Frieden, usw. Was den Menschen ganz direkt und unverfälscht damit angetan wird, zählt nirgends mehr.

Der leidende Mensch, der hungernde Mensch, der misshandelte Mensch - er verändert sich, und plötzlich tauchen jene auf, die eine Vorstellung von diesem Menschen haben, wie er war in seinen guten Zeiten - wie er also zu sein habe... Und das wird eingefordert, ohne Rücksicht darauf, was inzwischen tatsächlich mit diesem Menschen passiert ist. "Steh auf und kämpfe weiter!" - wird gefordert, auch wenn der Andere in den letzten Zügen liegt. "Sei anmutig!" wird verlangt, auch wenn der andere Mensch schon sterbenskrank ist.

Im Klartext: "Spiel Theater für mich, sonst bricht meine abstrakte Welt zusammen, und meine Ideologie löst sich auf!"

Es ist keine Liebe, was dafür bei manchen Leuten zu gelten hat. Sie wurde genauso abstrahiert, wie vieles Andere auch. Statt Intimität sucht mancher Mensch nach Anerkennung und Bewunderung. "Wie war ich, Schatz!" ist lediglich der müde Abklatsch des Ganzen aus der untersten Schublade. Die Angst vor Schwäche, Verwundbarkeit und Hilflosigkeit ist eine Folge dieser Abstrahiererei und der Ideologien, die uns umgeben. Deshab muss Armut anmutig sein, der Verhungernde noch kämpferisch und gut drauf bis zum bitteren Ende, damit die Anderen alle nicht daran erinnert werden, wie leicht verderblich sie selber beschaffen sind.

Das Leben in der Abstraktion bewirkt aber auch, dass das alles von den davon Betroffenen nicht mehr bemerkt wird. Sie kämpfen auch für das Gute, wollen, dass es allen besser geht - aber sie wollen das Elend nicht wahrnehmen müssen. Der Einsatz geschieht auf Distanz, mit Mundschutz und steriler Kleidung sozusagen. "Komm mir nicht zu nahe mit Deiner Armut!"

Es gibt dies auch bei Liebes- und Ehepaaren: Sie gehen nur äusserlich miteinander ins Bett, in Wirklichkeit poppen sie ihre eigene Vorstellung. Wehe, der andere Beteiligte entgleist irgendwie, sodass die Abstraktion, das Vorstellungsgebilde, nicht mehr stimmt.

Das trifft auch auf Frauen zu, die einen Helden brauchen, die seine Macht verehren. Auch das ist zerstörerisch, auch dann, wenn solche Beziehungen nach aussen oft lange aufrecht erhalten werden. Es gibt nichts Mythisches bei solchen Männern, auch ihr Kaffee ist nur mit Wasser gekocht. Letztendlich übt eine solche Frau, die dies abfordert, Macht aus - denn, sie zwingt den Mann dazu, Held sein zu müssen - auch das in jeder nur erdenklichen Lage.

In diesen Beziehungen gibt es nichts Persönliches - denn, eine Persönlichkeit an sich mit allen ihren Facetten hat keine Chance. "Geliebt" wird die Abstraktion der Macht, des Heldentums, des Besitzes. Doch genau diese Abstraktionen bestimmen inzwischen viele Leben, zu viele...

Das menschliche direkte Erleben in seiner Gefühlswelt ist weitgehend abgeschafft. Wer noch so drauf ist, hat als Auslaufmodell zu gelten, wenn das Ganze nicht durch irgendeinen merkwürdigen Zufall aufgehalten wird. Das ist auch einer der vielen Gründe, warum wir Menschen anderer Länder - islamischer Länder - nicht verstehen wollen. Sie sind in ihren Gefühlen oft noch unverfälschter als wir.

Das, was uns zu schwer handhabbar anmutet, schaffen wir einfach ab. Genau das ist zum Prinzip der westlichen Welt geworden. Alllerdings lässt sich nicht verhehlen, dass dann sozusagen der Mensch an sich abgeschafft werden müßte - allerdings ist diese Folgerung gefährlich, denn manche arbeiten schon daran. Sie nehmen diese Folgerung als direktes Ansinnen auf, obwohl auch diese Sichtweise nur wiederum eine Folge aus den schon abstrahierten Vorgängen ist.

"Der Weg ist das Ziel", sagen wir, und verfransten uns dabei gehörig. Die Methode wurde mit dem Wissen selber verwechselt, weil etwas Gesamtes viel zu komplex erschien für die beschränkte Konzentration auf den Weg. Sich etwas bewußt machen ist zeitraubend und unbequem, also schalten wir das Bewußtsein immer dann aus, wenn es sich störend bemerkbar macht - und das ist fast immer.

Folglich taumeln wir bewußtlos durch die selbsterschaffenen Abstraktionen mit unseren reduzierten Lebenswelten, die wir mit wild entschlossenem Glauben für echt halten. Genau dafür jedoch muss der heutige Mensch alles Wirkliche, unretouschierte verneinen. Das darf nicht existieren. Und das, was darin für Freiheit und Würde zu gelten hat, ist eigentlich nichts von alledem. Trotzdem sind wir bei der Verirrung auf dem Weg zum Ziel genau dabei angekommen, dass die Methode alles bestätigt.

So wurden Menschen zu Perfektionisten und Pedanten ihres reduzierten Daseins gemacht. Was den Menschen heute als Sinn des Lebens vorgesetzt wird, ist keiner. Manche behaupten, dass das Leben keinen Sinn hat, ausser sich selber. Aber, auch dieser Sinn wurde ja durch die Abstraktionen und Reduktionen zerstört. Das, was wir heute mit "Leben", also mit unserer Geistes- und Arbeitskraft, erfüllen sollen, stimmt mit dem Erleben und der Erfahrung der Menschen nicht mehr überein. Die Selbsterkenntnis, die dann gerne gefordert wird, wenn es mal wieder menschlich klemmt, wird dabei allerdings auch nur noch zur Farce.

Das, was als annehmbar beim menschlichen Sein zu gelten hat, wird vorgegeben, überwacht - auch vom Nachbarn, vom vermeintlichen Freund - ist vorgegeben, und das was wirklich erfahren wird ist etwas ganz Anderes. Genau das aber blockiert die Menschen, verwehrt ihnen den Zugang zu sich selber - zu ihrer Lebendigkeit und Ursprünglichkeit, zu ihrer Direktheit.

Wenn das nicht mehr ausgehalten wird, kann es eben dazu kommen, dass Menschen genug davon haben. Viele werden depressiv, andere ticken aus, und richten damit noch mehr Schaden an. Einige flüchten zu sich selber, behalten nur noch die Freunde, die das wenigstens verstehen, und versuchen die Spannung zwischen allem auszuhalten, ohne das Menschliche allzusehr verfälschen zu müssen.

"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst", heisst es in der Bibel - und das ist einer der besten Sprüche die dort zu finden sind. Es heisst nicht: Liebe Deinen Nächsten mehr als Dich selber - stelle Dich ins Abseits, mache Dich kleiner als Du bist. Aber, es heisst auch nicht: Mache Dich grösser.
Nein, akkurat genauso wie sich selber soll der Mensch seinen Nächsten, den anderen Menschen lieben. Wenn der Mensch aber von sich selber abstrahiert ist, kann er das nicht.

So einfach ist das, und so schwierig.
Alle die vielen Jahrtausende hat dies der Mensch nicht begriffen.
Und das ist die eigentliche Schande, die den Menschen heute durch seine missratene Moderne begleitet.