Donnerstag, 25. Dezember 2008

Was unterscheidet uns von Zombies?

Mit Absicht habe ich keine Weihnachtsgrüsse gepostet. Ich kenne noch zu wenig Menschen im Internet, bin noch zu neu - und ausserdem sind die Zeiten nicht danach, unbeschwert Grüsse zu verteilen. Statt dessen die Frage danach, ob der Mensch zum Zombie mutiert:

http://flegel-g.de/instrumentalisiert.html




Erstelldatum: 22.12.2008

Instrumentalisierung

Man sagt uns Menschen nach dass wir über einen freien Willen und einen Verstand verfügen. Mag sein, dass das stimmt, aber offenbar teilen diese beiden Begabungen das gleiche Schicksal wie der Nippes in der Glasvitrine. Sie verstauben, weil sie nicht benutzt werden. Statt zu denken, lassen wir uns auf mannigfaltige Weise instrumentalisieren. Natürlich werden Sie es weit von sich weisen. Mein Tipp, gehen Sie an die Vitrine, holen Sie Ihren Verstand und Ihren freien Willen heraus, stauben sie beides gründlich ab und benützen sie beides. Dann werden Sie erkennen, wie einfach es ist, Sie in bestimmte Richtungen zu treiben.

Haben Sie einen Hund? Ja? Dann denken Sie einmal darüber nach, wie sie ihm Kunststückchen beibringen. Jedes Mal, wenn er eine von Ihnen gewünschte Handlung vollzieht, belohnen sie ihn. Weigert er sich, bestrafen sie ihn durch Missachtung oder Schimpfe. Hat er das Kunststückchen gelernt, reicht das Impulswort, ihn dazu zu bringen, sein Kunststück vorzuführen. Wie schon der Namen KUNSTstück sagt, handelt es sich um ein Verhalten, welches für Ihren Hund keinerlei Sinn ergibt, weil es nicht seinen natürlichen Verhaltensweisen entspricht. Was seiner natürlichen Verhaltensweise entspricht, ist, für einen Leckerbissen auch Dinge zu tun, die für ihn ohne Nutzen sind. Aber er tut es nicht nur für den Leckerbissen, sondern vor allem dafür, dass Sie ihm im Anschluss ihr Wohlwollen bekunden, denn im Gegensatz zu denn menschlichen Bestrebungen der Instrumentalisierung liebt Ihr Hund Sie, rückhaltlos.

Bei uns Menschen funktioniert das in gleicher Weise und ich möchte das an einigen Beispielen verdeutlichen, wie sie auf Belohnung reagieren. In den 50er und Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts war es üblich, dass Geschäfte Rabattmarken ausgaben. Die Käufer sammelten sie, klebten sie gewissenhaft in das dafür vorgesehene Büchlein und bekamen, wenn das Büchlein voll war, den Gegenwert in Geld oder als Ware. Logisch, dass dieser Rabatt zuvor auf die Preise aufgeschlagen wurde. Der Vorteil war für die Geschäfte, dass man sich Stammkundschaft sicherte und Gelegenheitskunden (Laufkundschaft) kein Interesse an den Rabattmarken bekundete und somit dem Geschäftsinhaber eine zwar geringe, aber immerhin zusätzliche Einnahme bescherten. Inzwischen ist dieses System wieder in Mode gekommen. Bei manchen Tankstellen wurde es eingeführt und auch Lebensmittelketten wie z. B. Tengelmann (Treueherzen) führten das System ein. Begeistert sammeln die Kunden diese Bonuspunkte im Vertrauen auf einen zusätzlichen Anspruch, bestimmte Waren stark verbilligt oder völlig umsonst zu bekommen. Denken Sie an Ihren Hund und erkennen Sie, das ist Ihr Leckerli. Ihr Kunststück ist nicht schwer zu erlernen. Es reicht, wenn sie, um Ihre Bonuspunkte zu bekommen, regelmäßig dort kaufen, wo die Punkte vergeben werden. Sie sparen nichts dabei, denn in der Preiskalkulation ist das längst aufgeschlagen. Aber die Aussicht auf einen Gewinn lässt Sie handeln, wie es die Öl- oder Handelsgesellschaft will. Sie denken nicht, sondern reagieren auf einen Ihnen dargebotenen Reiz. Denken Sie an die Lufthansa (Miles & more), an Telekom (happy Digits), alles der gleiche Irrsinn, der zusätzlich dazu dient, Ihre Kaufgewohnheiten und Verhaltensweisen auszuspähen.

Gewinnklasse I,
6 Richtige + Superzahl
1 zu 139.838.160
Gewinnklasse II,
6 Richtige
1 zu 15.537.573
Gewinnklasse III,
5 Richtige und Zusatzzahl
1 zu 2.330.636
Gewinnklasse IV
1 zu 55.491

Schauen wir ein anderes Beispiel an. Zusätzliche Steuern werden von der Allgemeinheit immer nur mit Widerwillen gezahlt. Halt, nicht immer. Geschickt verpackt zahlen Sie freiwillig, ohne darüber nachzudenken. Millionen spielen jede Woche Lotto oder nehmen an Klassenlotterien teil. Rund die Hälfte dieser Einnahmen kassiert der Staat, aber die Aussicht auf einen möglichen Millionengewinn verleitet Sie dazu, dem Finanzminister jede Woche zusätzliche "Steuergelder" in die Kasse zu spülen. Ihre Chancen? Die können Sie der Tabelle entnehmen. Natürlich ist das nur die mathematische Ausprägung. Je nach den gezogenen Zahlenkombinationen erzielen mehr oder auch weniger Leute einen Treffer. Nur einer gewinnt mit absoluter Sicherheit: Der Finanzminister. Allerdings ist das Lotto eine echte Chance, wie minimal sie auch sein mag, vom armen Schlucker auf einen Schlag zum Millionär zu werden.

Es gibt weitere Beispiele. Nehmen Sie das Fernsehen. Bestimmte Sender der Privaten ködern sie mit möglichen Gewinnen, wenn Sie bei Ihnen anzurufen. Jeder Anruf bringt diesen Sendern Geld in die Kasse. Wer sein Glück versucht, erwischt aber in der Regel eine Niete, denn die angerufene Nummer wird (angeblich) mit einer Leitung geschaltet. Ihr Pech, wenn sie die falsche Leitung erwischen. Sie haben auch keinerlei Gewähr, dass die angeblichen Gewinner nicht getürkt sind. McDonald lockt derzeit mit einem Gewinnspiel die Leute massenhaft in seine Filialen, die Fernsehwerbung verspricht mit oft wahnwitzigen Versprechungen Wohlbefinden, ewige Jugend, Faltenfreiheit, besondere Anziehungskraft und so manches mehr, wenn Sie ein bestimmtes Produkt kaufen. Die Kosten dieser Werbekampagnen tragen alle Käufer, entweder in Form barer Münze oder auch in Form verminderter Qualität. Meinungsumfrageinstitute fragen gezielt und sehr geschickt nach, worauf die Menschen anspringen und die Werbestrategen fügen das in ihre Konzepte mit ein. Werbung ist nichts anderes, als eine permanente und gut funktionierende Gehirnwäsche.

Presse, Fernsehen und Politik setzen ihre Anstrengungen vielfach durch sorgsam vorbereitete Formen der Wortwahl durch. Soll etwas durchgesetzt werden, werden alle Begriffe vermieden, die auch nur im Entferntesten eine negative Assoziation hervorrufen könnten. Umgekehrt funktioniert es ebenso. Im Zusammenhang mit Arbeitslosen, Rentnern und Sozialhilfeempfängern sind drastische Begriffe wie Schmarotzer, Drückeberger, Betrüger und Plünderer (Herzog über die Rentner) durchaus üblich. Die Wirkung bleibt nicht aus. Es sind die Impulsworte, mit denen Ihre Reaktionen in Gang gesetzt werden, sei es nun das Stammtischgeschwätz über die faulen Arbeitslosen oder Ihre Reaktion auf die Rentenfrage. Was ausbleibt, ist die Gunstbezeugung Ihres Herrchens.

Wir werden täglich mit einer Unmasse von Informationen traktiert, einer Menge, die wir gar nicht verarbeiten können. Deshalb schalten wir das Gehirn ab. Wir haben verlernt, vielleicht auch nie gelernt, Informationen selektiv aufzunehmen und mit dem Verstand zu filtern. Mit dem Verstand filtern würde bedeuten, sie auch in Bezug zu anderen Informationen abzuwägen. Ein praktisches Beispiel. Die Politik erklärt uns seit Jahrzehnten, dass wir Wachstum brauchen. Wachstum sichert Arbeitsplätze, schafft Wohlstand. Obwohl jeder Mensch definitiv weiß, dass Wachstum immer endlich ist, wird diese Aussage der Politik von vielen Menschen akzeptiert. Das diese politische Wachstumstheorie zusätzlich noch exponentiell ist, weil die Wachstumsrate sich jeweils auf das Vorjahr bezieht, darüber denkt kaum ein Mensch nach. Dass diese Wachstumslüge von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft verantwortlich für die Arbeitslosigkeit und für die derzeitige Finanzkrise ist, bleibt damit für die meisten Menschen auch im Dunkel. Den Unsinn dieser Wachstumstheorie möchte ich Ihnen anhand eines fiktiven Beispiels einmal näher bringen.

Angenommen, ein Neugeborenes, 60 cm groß, wächst, gemessen an der Anfangsgröße, jährlich um 6 cm. Nur das rechte Bein schert aus. Es wächst jeweils jährlich um 6 cm, gemessen an der Länge des Vorjahrs. Rechnen Sie mal nach. Das arme Kind hat nach 20 Jahren Wachstum eine Größe von 1,80 m erreicht. Nur das rechte Beim, dass den politischen Anforderungen gefolgt ist, hat eine Länge von 1,98 m. Das Kind hört nach 20 Jahren mit dem Wachstum auf, nicht aber das rechte Bein. Es hält sich stur an die politische Vorgabe permanenten Wachstums. Wenn es mit 67 Jahren nach politischem Willen in Rente geht, ist es noch immer 1,80 m groß, nur das rechte Bein hat eine Länge von 5,01 m. Rente wird es wohl nicht bekommen, denn mit diesem rechten Bein findet es keinen Arbeitsplatz.

Natürlich ist das Beispiel Blödsinn, denn die Natur verzichtet auf solche Spielchen. Nicht aber Politik, Wissenschaft und Wirtschaft. Weil jede Produktion irgendwann aufhört, zu wachsen, weil ein Sättigungsgrad erreicht ist, wurden die Gewinne aus der Produktion nicht weiter in die Entwicklung neuer Technologie, sondern in den Kapitalmarkt investiert. Die Folge war unausbleiblich. Das Kapital plus seine Zins- und Zinseszinsgewinne wurde immer wieder neu in den Kapitalmarkt gepumpt. Da aber Zinsen nur entstehen, wenn jemand sich dafür verschuldet und die Verschuldung schon längst die Oberkante Unterlippe überschritten hat, wurden immer wieder neue Finanzkonstrukte entwickelt. Finanzkonstrukte, die schlimmer als die Zockerei in Spielkasinos sind. Nur zockten die Finanzinstitute nicht mit eigenem Geld, sondern mit dem der Kunden. Von den Gewinnen wurde ein recht großer Teil abgezwackt und an die Aktionäre ausgeschüttet, an Leute also, denen es völlig gleichgültig war, auf welche Art die Dividende erwirtschaftet wurde, Hauptsache, sie kam. Jetzt brechen die Finanzinstitute zusammen. Die heiße Luft ist abgekühlt und trägt nicht mehr. Wen lässt der Staat zur "Rettung" blechen? Nicht die Aktionäre. Das muss die Börse über den Kurs regeln. Nein, der Steuerzahler muss es richten. Die cleveren Aktionäre haben sich, bedingt durch Insiderwissen, längst zurückgezogen und verfolgen grinsend, wie die Allgemeinheit herangezogen wird. Die wenigsten haben auch begriffen, dass diese Gewinne aus dem Kapitalmarkt der Vergangenheit keinerlei produktiven Effekt hatten, im Gegenteil, sie haben Produktives zerstört (Heuschrecken). Kapitalismus kann nicht funktionieren. Er ist wie dieser sagenhafte Vogel Phönix, der nach einer gewissen Zeit verbrennt, dann aber aus der Asche neu entsteht. Diese Asche ist die nie ermüdende Gier von uns Menschen. Der Kapitalismus ist bereits mehrfach an die Wand gefahren, aber statt ihn endgültig zu beerdigen, wird er mittels Transplantation (Rettungsschirme, Rettungspakete) wieder neu belebt, sehr zu Freude der wenigen echten Profiteure, die diesen Globus schon seit mehr als 100 Jahren beherrschen und nun darauf dringen, das auch offiziell zu machen. Der Bruder des ehemaligen Bundespräsidenten, Carl Friedrich von Weizsäcker, hat in seinem Buch "Der bedrohte Frieden" bereits 1983 diese Entwicklung vorausgesagt. Er nahm nicht an, dass man ihn verstehen würde. Er hatte recht mit seiner Annahme. Man versteht immer nur, was man verstehen will.

Sehen Sie, würden nicht die Menschen mehrheitlich den Verstand als Nippes ansehen und in der Vitrine so langsam vollstauben lassen und würden sie ihren freien Willen benutzen, statt ihn neben dem Verstand in die Vitrine zu stellen, hätten sie längst erkennen müssen, dass Presse und Medien, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik ihnen eine seit Jahren andauernde Gehirnwäsche verpasst haben und jetzt keineswegs damit aufhören. Sie würden erkennen, dass die Glotze DAS Instrument der Volksverdummung und Manipulation schlechthin ist und nicht nur offensichtlich, sondern auch unterschwellig politische Botschaften in das Hirn hämmert.

Wir sollten begreifen, dass wir uns nicht sonderlich von einem dressierten Hund unterscheiden, außer in einem Punkt. Der Hund lernt seine Kunststücke, weil er Sie damit glücklich machen will und weil er von Ihnen dafür gelobt wird, mit Worten oder mit einer Streicheleinheit. Das Leckerli aus der Anfangsphase ist ihm nicht so wichtig. Bei Ihnen ist das anders. Sie wollen das Leckerli und begreifen nicht, dass sie es selbst bezahlen, doppelt und dreifach, denn die Leckerlis, die sie bekommen, sind scheinbare Gewinne oder zumindest die Chance darauf, die Zinsen bei Ihrer Kapitalanlage oder eine Beförderung im Job, wenn Sie sich opportun genug verhalten. Der Hund will nur eines. Er möchte Ihnen gefallen, denn er ist Ihnen treu mit jeder Faser seines Seins. Wir Menschen aber sind nicht einmal uns selber treu. Und weil das die Strippenzieher wissen, können sie uns nach Belieben dirigieren, als Instrument für ihre selbstsüchtigen Gelüste verwenden und wir Narren jubeln ihnen noch zu. Wir sind eben instrumentalisiert, voll und durchgängig. Was aber, so frage ich mich, unterscheidet uns dann noch von Zombies?


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

was unterscheidet uns von? Solange es noch jemanden gibt, der sich die genannten Gedanken macht, auch wenn es wenige sind ... so gesehen ist noch nicht "Hopfen und Malz verloren" ... und "die Hoffnung stirbt zuletzt". In diesem Sinne lasse ich doch so etwas wie Weihnachtsgrüße hier.

viele Grüße Aebby

P.S. sorry - konnte nur mit meiner anderen Bloggeridentität kommentieren