Montag, 9. März 2009

Grundeinkommen, Arbeitsmangel, und vieles andere von Pavel :

http://aggregat7.ath.cx/2009/03/08/rechenspiele-zum-bedingungslosen-grundeinkommen


Rechenspiele zum bedingungslosen Grundeinkommen 25

Posted by pavel one day ago

Update: Ich habe jetzt die Links auf die Quellen ans Ende gepackt. Ausserdem die verwendete Kalkulationstabelle als .xls und .png.

Update: Habe einen Absatz zum Thema Konsumsteuer hinzugefügt

Disclaimer: Ich bin kein Anhänger sozialistischer oder kommunistischer Ideen, und habe ernste Zweifel am Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens - die Zusammenfassung hier ist dahingehend etwas salopp und zynisch formuliert und möglicherweise mißverständlich - daher vor dem Kommentieren bitte alles lesen. Wir stehen aber vor ernsten Problemen, die gegenwärtige Krise ist da eher ein Vorbote, und ein zynischer Blick auf die Fakten ist da hoffentlich erhellend.

Tims blogeintrag zum Thema "bedingungsloses Grundeinkommen" hat mich veranlasst, das ganze mal selbst durchzurechnen und mir einige weitergehende Gedanken dazu zu machen, wovon die Menschen im Land leben sollen, wenn die bezahlte Arbeit ausgeht.

Ich bin zwar kein Volkswirt, aber die Grundrechenarten und ein wenig volkwirtschaftliches Grundverständnis sind da völlig ausreichend, jeder kann das selbst nachrechnen, und die Zahlen gibt es beim Bundesamt für Statistik. (Quellenlinks am Ende des Arttikels)

Auf jeden Fall habe ich beim Schreiben mal wieder viel gelernt.

Vorweg mein Ergebnis: Deutschland ist ein reiches Land:

  • 2000 Euro pro Kopf, also fast 8000 Euro netto für eine vierköpfige Familie wären drin, wenn wir hier den absoluten Kommunismus einführen und alles umverteilen.
  • 664 Euro pro Kopf oder 2656 Euro für die Familie wären drin, wenn man alle Unternehmensgewinne und Kapitaleinkünfte umverteilt, die Einkünfte aus Arbeitsverhältnissen kämen obendrauf.
  • 500 Euro pro Kopf wären möglich, wenn man die Ausgaben der Sozialversicherung an alle verteilt, also die Rentner enteignet und jeder seine Arztrechnungen selbst bezahlt
  • 300 Euro pro Kopf wären möglich, wenn man nur die gesetzliche Krankenversicherung beibehält
  • 66 Euro pro Monat wären drin, wenn man das Geld für die Arbeitslosen und Bedürftigen auf alle verteilt

Grundsätzlich ist also genug Geld da, die Frage ist bloss, wem es weggenommen werden soll. Wie man aus den Zahlen aber schon sehen kann, mit Einsparungen von Verwaltungskosten allein ist da nicht viel zu machen. Dennoch wird etwas passieren müssen, denn uns geht die Arbeit aus, und der Übergang in die vielbeschworene "Informationsgesellschaft" wird alles viel schlimmer machen. Wer die Rechnungen nachvollziehen und meine Gedanken und Ideen zu dem Thema lesen möchte, hier sind sie.

Die volkswirtschafliche Gesamtrechnung

Schauen wir uns als erstes die sogenannte volkswirtschaftliche Gesamtrechnung an, die die Entstehung, Verwendung und Verteilung des Bruttoinlandsprodukts umfasst.

Beginnen wir wir dem Bruttoinlandsprodukt in Höhe von rund 2.492,0 Mrd. Euro pro Jahr, das sind rund 30.342 Euro/Kopf, Kinder eingeschlossen, und 61.790 Euro je Erwerbstätigen.

Wo wird das BIP erwirtschaftet? (Enstehung)

  • 30,1 % produzierendendes (vor allem verarbeitendes) Gewerbe und Baugewerbe
  • 29,3% Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister
  • 21,8 % Öffentliche und private Dienstleister
  • 17,9 % Handel, Gastgewerbe und Verkehr
  • 0,9 % Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

Man kann also sagen: Über 2/3 Dienstleistung im weitesten Sinn, 1/3 Produktion, wobei das Baugewerbe mit 4,2% durchaus relevant ist, vor allem aber besteht gewerbliche Produktion in Deutschland aus verarbeitendem Gewerbe, zu 90%.

Interessant ist, dass die Landwirtschaft beim BIP fast keine Rolle spielt, und 2/3 der Wertschöpfung offenbar aus der “Herstellung” von immateriellen Gütern stammt.

Im Ausland werden im übrigen 6,3% zusätzlich zum “Inlandsprodukts” erwirtschaftet, wohl überwiegend durch deutsche Unternehmensbeteiligungen im Ausland, die zusammen mit dem BIP das das Bruttonationaleinkommen ergeben.

Wofür wird das alles ausgegeben? (Verwendung)

  • 56,3 % privater Konsum (inkl. priv. Organisationen ohne Erwerbszweck)
  • 19,3 % Investitionen
  • 18,1 % Konsum des Staates

Dabei werden 93,7% im Inland verwendet, aber Leistungen im Wert von 47,2% des BIP exportiert und 40,9% importiert. Wir sind also ziemlich stark wirtschaftlich mit anderen Ländern verflochten.

Wer kriegt wie viel? (Verteilung)

Als Volkseinkommen gelten rund 75% des BIP. Rund 49,2% des BIP sind als “Arbeitnehmerengelt” klassifiziert, 26,3% als Unternehmens- und Vermögenseinkommen.

Die Verteilung sieht also auf den ersten Blick so aus:

  • die Hälfte für die Arbeitnehmer
  • ein Viertel für “Vermögende”,
  • ein Viertel sind Abschreibungen, Zölle sowie Produktionsabgaben wie Zölle, Gewerbesteuern und andere Abgaben, die Unternehmen direkt abführen müssen.

50% des BIP als Arbeitnehmerentgelt klingt erst mal gar nicht so übel, allerdings umfasst das das “Arbeitgeberbrutto”, also auch gesamten Sozialabgaben und Lohnsteuern. Dabei wird etwa die Hälfte vom “Arbeitnehmerentgelt” einbehalten und umverteilt. Nettolöhne und -gehälter machen 25,8% des BIP aus, also etwas weniger als das Unternehmens- und Vermögenseinkommen.

Da die Sozialabgaben in Form von Sozialleistungen und anderen Transferleistungen wieder ausgezahlt werden, ergibt sich ein “verfügbares Einkommen” der privaten Haushalte von 62,3% des BIP. Dieses Geld steht für Konsum und freiwilliges Sparen zur Verfügung, wobei die Deutschen insgesamt rund 11,5% des verfügbaren Einkommens sparen.

Transferleistungen

Die soziale Mindestsicherung (ALG2, Sozialgeld, Grundsicherung im Alter, Hilfe zum Lebensunterhalt etc.) in 2006 betrug 45,6 Mrd. Euro, ausgezahlt an 8,3 Mio. Empfänger, davon 40,5 Mrd. an Arbeitssuchende. Zusätzlich wurden 8,1 Mrd. für Verwaltungkosten und Eingliederungsmassnahmen ausgegeben.

Für BAföG wurden 2,3 Mrd. ausgegeben, für Wohngeld 1,2 Mrd., für Asylbewerber 0,2 Mrd.

Der bei weitem grösste Transfer findet aber über die Renten- und Krankenversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung statt, die insgesamt rund 470 Mrd. Euro pro Jahr umverteilt.

Davon entfallen etwa 236 Mrd. auf die gesetzliche Rentenversicherung, fast 160 Mrd. auf die gesetzliche Krankenversicherung, 38 Mrd. Bundesagentur für Arbeit, 9 Mrd. Pflegeversicherung.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Machen wir nun ein paar Rechnungen, wie das mit dem Grundeinkommen in der Theorie so aussehen könnte:

1. Die kommunistische Utopie

Alle tun dasselbe wie bisher, jeder bekommt aber gleich viel Geld. Alle geben ihr gesamtes Einkommen ab, eine Art 100% Steuer auf alles, und aus dem Topf erhält jeder einen gleichen Anteil, Arbeitende, Kinder, Alte, Kranke, Obdachlose. Das Volkseinkommen wird also auf pro-Kopf Basis verteilt. Damit bekäme jeder 22900 Euro, eine Familie mit zwei Kindern hätte also rund 92.000 Euro im Jahr oder 7600 Euro im Monat zur Verfügung. Klingt erst mal ganz verlockend.

Leider müsste man dann wieder eine Mauer mit Schiessbefehl errichten und Zwangsarbeitsgesetze erlassen, denn die Annahme, dass jeder dann einfach das selbe tun würde wie gegenwärtig, hat sich historisch als klar falsch erwiesen. Und selbst die Mauer würde dieses “Paradies” nicht allzu lange bewahren können.

Dennoch bleibt festzustellen, dass gegenwärtig in Deutschland pro Kopf ziemlich viel Geld da ist, im Durchschnitt mehr als genug, dass jeder recht gut leben können müsste.

2. Die sozialistische Utopie

Was, wenn der Staat nur einfach alle Unternehmensgewinne und Vermögenseinkünfte einkassieren und umverteilen würde?

Das wären dann immerhin rund 664 Euro/Kopf und Monat, oder 2656 Euro für unsere vierköpfige Familie. Klingt auch nicht schlecht, zumal ja der bisherige Arbeitslohn oder Gehalt noch oben drauf käme, und Rente gäbe es dazu auch noch zusätzlich.

Leider wäre auch hier die Freude nur von kurzer Dauer, denn nach wenigen Jahren gäbe es keine Unternehmensgewinne und schliesslich auch keine Vermögen mehr.

3. Soziale Giesskanne

Was würde dabei rumkommen, würde man einfach nur das gegenwärtige System auf der Einnahmenseite beibehalten, aber auf der Ausgabenseite die Giesskanne ansetzen?

Die Zahlen sind verblüffend: 477 Euro/Kopf und Monat, und 1908 Euro für unsere vierköpfige Familie zusätzlich. Wo ist da der Haken?

Problem 1: Auch ein alleinstehender Rentner würde keinen Cent mehr bekommen, egal, wie viel er vorher eingezahlt hat. Ohne Vermögenseinkünfte könnte er wohl seinen Lebensstandard keinefalls auch nur annähernd halten, und es wäre auch kein zusätzliches Geld in Form von Wohngeld da. Problematischer aber wird das durch…

Problem 2: Von dem Geld müssen auch alle Arzt- und Krankheitskosten wie auch Medikamente bezahlt werden. Keine Arztbesuche oder Medikamente auf Krankenschein. Und wenn eine größere OP fällig wird, eine chronische Erkrankung eintritt, ein Unfall oder Pflegebedarf, gibt es nicht mehr als die 477 Euro/Monat.

Behält man dagegen die Kranken- und Pflegeversicherung wie bisher bei, reduziert sich das Ganze auf 305 Euro Grundeinkommen oder 1222 für die vierköpfige Familie.

Ist aber auch nicht schlecht, denn dazuverdienen ist ja problemlos bei gleicher Abgabenlast wie heute möglich, und verhungern muss zwar auch niemand, aber es gäbe einige Personengruppen, die schlechter gestellt wären als bisher:

  • Rentner, die viel eingezahlt haben, vor allem alleinstehende
  • Heutige ALG2-Empfänger haben mit Wohngeld meist deutlich mehr
  • Arbeitnehmer, die nur für kurze Zeit arbeitslos sind (Kein Kurzarbeitsgeld, kein ALG1)


Eingespart würden dabei mindestens 10, eher aber über 20-30 Mrd. an Verwaltungskosten und andere Kosten, etwa die für Arbeitsförderungsmassnahmen.

Letztendlich würde aber praktisch eine Enteignung der Rentner erfolgen. Derzeit verfügen Einpersonenrentnerhaushalte über ein monatliches Nettoeinkommen von 1476 Euro, davon rund 1000 Euro (brutto) aus gesetzlicher Sozialversicherung, Zweipersonenhaushalte etwa 2530 Euro, davon 1650 Euro aus der Sozialversicherung, der Rest kommt aus Arbeit, Vermögen, privaten Zusatzrenten und Wohnungseigentum.

Von dern Einpersonenrentnerhaushalten gibt es über 5,8 Mio, und knapp 10 Mio. Rennter leben mit einem Partner zusammen. Macht also allein 16 Mio. Rentner in Deutschland, die bei der “sozialen Giesskanne” eine massive Verschlechterung ihrer Situation erfahren würden. Nimmt man die Renten jetzt auch noch raus, bleiben gerade mal 66 Euro/Kopf und Monat übrig.

Dennoch zeigt dieses Beispiel, dass ein Grundeinkommen von 300-500 Euro/Monat aus volkswirtschaftlicher Sicht in Deutschland keine Utopie ist. Politisch und rechtlich gesehen würde es natürlich nicht gehen, vor allem die Rentner um einen Grossteil ihrer Ansprüche zu bringen, aber mit 30-50 Jahren Vorlauf wäre auch das möglich, es geschieht ohnehin in bestimmtem Maße.

Mögliche Alternativen

Was würde dabei rumkommen, würde man das gegenwärtige System radikal vereinfachen und zusätzlich an der Abgabenseite drehen?

Die Sitution in Deutschland

Die Abgaben für die Sozialversicherung in erster Linie an die Löhne und Gehälter zu koppeln, ist höchst unzeitgemäss. Für die Renten- und Arbeitslosenversicherung macht das noch halbwegs Sinn, da es immerhin einen Zusammenhang mit der Höhe der Bezüge gibt, aber das gilt nur so lange, wie die Zahl der arbeitenden Menschen in einem direkten Zusammenhang mit der gesamten Wertschöpfung steht.

Dies ist aber zunehmend weniger der Fall, der Umsatz und Gewinn eines Unternehmens pro Mitarbeiter ist mittlerweile sehr verschieden. Die Kopplung der sozialen Sicherheit an Arbeitseinkommen treibt die Welt darüber hinaus in die ökologische Katastrophe. Der Zusammenhang ist auf den ersten Blick nicht erkennbar, aber meiner Meinung nach gegeben, und ich möchte ihn im folgenden etwas weiter ausholend erläutern:

Gemessen an den Lebensbedingungen vor hundert oder zweihundert Jahren sind wir heute in Deutschland sehr reich. Wohnung, Nahrung, Reisemöglichkeiten, Kleidung, Spielzeug, Medien- und Kulturkonsum, Bildungsmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung eines durchschnittlichen Deutschen sind besser als alles, wovon der reichste Mensch der Welt vor hundertfünfzig Jahren zu träumen gewagt hätte.

In historischem Kontext betrachtet leben wir also in einem materiellen Paradies. Selbst Anfang des 20. Jahrhunderts lebten viele arme Menschen in Deutschland noch in Hütten mit Lehmböden unter Bedingungen, wie wir sie heute allenfalls in manchen Gegenden Osteuropas oder den Slums der zweiten und dritten Welt finden können.

Allein seit 1950 hat sich in Deutschland das Bruttoinlandsprodukt von 50 Mrd. Euro auf fast 2500 Mrd. Euro verfünfzigfacht! Selbst deflationiert, als inflationsbereinigt, dürfte da ein reales Wachstum um das 15-fache übrigbleiben.

Einem gut verdienenden Facharbeiter aus den 1960er Jahren käme das Leben eines heutigen ALG2 - Empfängers wie der reinste Wohlstand vor. Wir dagegen empfinden es als ungerecht, dass bei ALG2 Empfängern die Abwrackprämie mit den Transferleistungen verrechnet wird.

Das hat zum einen damit zu tun, dass wir unseren Lebensstandard natürlich nicht an dem eines Menschen vor fünfzig Jahren oder einem Afrikaner aus Malawi messen, sondern an jemandem, der hier und heute ein gutes Leben führt.

Das führt zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass eine Zufriedenheit mit den eigenen Lebensbedingungen niemals eintreten wird, egal wie reich oder gut versorgt wir absolut gesehen sind, solange es in unserer Gesellschaft eine größere Zahl von Menschen gibt, denen es deutlich besser geht.

Hinzu kommt, dass die Wirtschaft gewaltige Mengen an Geld dafür aufwendet, neue Bedürfnisse zu wecken und uns unzufrieden mit dem Status Quo zu machen. Das geschieht aber nicht aus Bosheit, sondern sogar aus volkswirtschaftlicher Notwendigkeit.

Die Politik hat sich daher zwangsläufig längst davon verabschiedet, die Menschen materiell zufrieden stellen zu wollen.

Die Wachstumsfalle

Warum aber müssen immer neue Bedürfnisse geweckt werden? Damit die Wirtschaft wachsen kann, denn wenn wir plötzlich alle mit unseren Lebensbedingungen zufrieden wären, müsste ja nicht ständig mehr produziert werden, wir würden einfach das ersetzen, was verbraucht wird oder kaputt geht, und wären alle mit Nullwachstum zufrieden.

Leider ist unsere Wirtschaft aber zum Wachsen verdammt. Ich habe mich lange gefragt, was eigentlich so schlimm daran ist, wenn die Wirtschaft nicht wächst. Wieso ist Nullwachstum ein Problem? Weil wir zurückfallen im globalen Wettbewerb? Das ist nur zum kleineren Teil das Problem, und weltwirtschaftlich betrachtet irrelevant, es gibt keine bekannten Ausserirdischen, mit denen wir konkurrieren.

Die Antwort ist nicht offensichtlich, jedenfalls war sie für mich nicht offensichtlich, obwohl es ganz einfach ist: Der technisch-wissenschaftliche Fortschritt und die daraus resultierende Produktivitätssteigerung macht Nullwachstum zu einem ernsten gesellschaftlichen Problem.

Dem Fortschritt verdanken wir unseren Reichtum, der Faktor 15 seit 1950 kommt nicht daher, dass wir fünfzehn mal so viele Menschen sind oder fünfzehn mal so viel arbeiten, im Gegenteil. Wir sind in Deutschland mindestens fünfzehn mal so produktiv geworden.

Mit dem Einsatz von immer mehr Primärenergie, Maschinen und immer besseren Verfahren produzieren immer weniger Menschen immer mehr Waren und Dienstleistungen.

Nullwachstum ist deshalb ein so grosses Problem, weil auch bei Nullwachstum die Produktivität in den meisten Bereichen steigt, denn der Fortschritt ist bekanntlich nicht aufzuhalten. Das galt übrigens auch für die DDR, deren Produktivität und Wirtschaft interessanterweise in den 1960er und 1970er Jahren stärker gewachsen ist als die in Westdeutschland.

Wenn aber das unaufhaltsame Produktivitätswachstum nicht mit entsprechendem Wirtschaftswachstum einhergeht, entsteht Arbeitslosigkeit.

Das wurde lange Zeit zum Teil damit kompensiert, dass die Arbeitszeit gesenkt wurde, die verbleibende Arbeit also verteilt wurde und viele einfach weniger gearbeitet haben.

Wenn alle dabei mitmachen, ist das sicher sinnvoll, stösst aber irgendwann auf Grenzen, denn zwei Arbeiter, die nur halbtags arbeiten, brauchen zwei Wohnungen, und jemand der nur halb so viel arbeitet, zahlt auch weniger Steuern und Sozialabgaben, verursacht aber volle Kosten etwa im Gesundheitswesen.

Also bleibt dann am Ende doch wieder nur Wachstum, um alle beschäftigen zu können, jedenfalls in unserem Wirtschaftssystem. Leider stösst aber auch das Wachstum unübersehbar an Grenzen.

Neben den Klimaproblemen, dem Überfischen der Meere, Verlust von Regenwäldern und Bodenerosion ist es vor allem die Ölknappheit, die auch die tiefere Ursache für die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzkrise ist. Sicher haben auch Gier und Hybris dazu geführt, aber die wahnwitzige Geldvermehrung war vermutlich erforderlich, um die Ölrechnungen der Industrieländer in den letzen Jahren bezahlen zu können. Andernfalls hätten wir die Krise schon deutlich früher gehabt, aber in weniger drastischen Ausmassen. Weltweit mussten plötzlich 3000 Milliarden Dollar mehr für Öl ausgegeben werden, immerhin rund 5% vom Welt-BIP.

Auch Folgen der zunehmenden Umweltzerstörung dürfte sich mittlerweile klar negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirken, vor allem in den U.S.A. und Australien, aber auch Südeuropa. In die Berechnung des BIP geht aber nur die Beseitigung von Umweltschäden oder die Ausbeutung von Naturressourcen positiv ein, die Bewahrung oder Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen wird in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nicht direkt erfasst.

Das Ende der Arbeit und Sklaverei

Doch zurück zum Thema Grundeinkommen. Wenn gesamtwirtschaftliches Wachstum nicht unbegrenzt möglich ist, die Produktivität aber weiter wächst, wird uns zwangsläufig die bezahlte Arbeit ausgehen.

Sinnvolle Betätigungen für Menschen dagegen wird es immer in ausreichendem Masse geben, nur eben nicht die wirtschaftliche Notwendigkeit, die meisten Menschen dafür zu bezahlen, dass sie einer bestimmten Arbeit nachgehen.

Sicher wird es aber noch lange Zeit die Notwendigkeit geben, dass zwar nicht alle, aber viele Menschen einer bestimmten Arbeit nachgehen.

Wer aber darf oder soll nun arbeiten, und wer nicht? Und wovon sollen diejenigen leben, die nicht arbeiten? Und wie sollen diejenigen entlohnt werden, die arbeiten?

Wir wissen mittlerweile sehr viel darüber, wie Märkte funktionieren, und Märkte sind das beste Mittel, das wir haben, um Preise für den Austausch von Waren und Leistungen zu ermitteln. Leider werden Märkte aber auch leicht dysfunktional, und unter vielen Umständen funktionieren Märkte leider nicht, etwa wenn es zu wenig Angebot oder zu wenig Nachfrage gibt, um einen Preis bilden zu können.

Und beim Arbeitsmarkt ist niemandem geholfen, wenn die Arbeit auf dem Markt einen geringeren Preis erzielt, als der Mensch zum Leben braucht.

Eine Firma, die auf dem Markt dauerhaft einen geringeren Preis für eine Ware erzielt, als die Herstellung sie kostet, geht pleite und hört auf zu existieren.

Dasselbe Marktmodell auf den Arbeitsmarkt übertragen würde bedeuten, dass jemandem, der von seiner Arbeit nicht leben kann, nur der Ausweg in den Tod bleibt. Wenn dann genügend Menschen verhungert sind oder sich umgebracht haben, müsste ja der Preis endlich anziehen, so dass die Verbleibenden dann von ihrer Arbeit wieder leben können.

Wenn aber die Produktivität aber immer weiter wächst, wären immer weniger Menschen übrig, bis dann so wenige da wären, dass der Fortschritt zum Stillstand kommt und sich ein Gleichgewicht ergibt. Das alles ist natürlich ziemlicher Unsinn, zeigt aber ganz anschaulich, wie menschenverachtend eine “reine Marktwirtschaft” sein müsste und dass sie in letzter Konsequenz in die weitgehende Vernichtung der Menschheit münden und zum Stillstand ihrer Entwicklung führen würde.

Wie kann aber eine Lösung für die Welt und für unser Land aussehen? Nieder mit dem Fortschritt? Doch wieder Kommunismus? Zurück zur Sklaverei? Immerhin waren Sklavenhalter dafür verantwortlich, ihre Sklaven zu ernähren. Aber das Problem ist, dass selbst ein Sklavenhalter auf Dauer Pleite gehen würde, weil ja die Maschinen viel billiger als die Sklaven produzieren.

Das Ende der postindustriellen Gesellschaft

Wie kann eine zukünftige Gesellschaft also aussehen und funktionieren? Derzeit folgt unsere volkswirtschaftliche Entwicklung in gewissem Maße den Prognosen der Drei-Sektoren-Hypothese von Clark und Fourastié, von der vermutlich die meisten in der Schule gehört haben. Der primäre Sektor, die Landwirtschaft ist zuerst zurückgegangen, auf mittlerweile 1% des BIP. Der sekundäre Sektor, das produzierende Gewerbe bzw. Industrie liegt in Deutschland mittlerweile bei noch vergleichsweise hohen 30%, was vor allem am hohen Exportanteil liegt, wird aber eines Tages vielleicht auch nur noch mit 1% zum BIP beitragen. Der tertiäre Sektor, der Dienstleistungsektor ist derzeit mit 2/3 des BIP der grösste volkswirtschaftliche Sektor. Wir befinden uns demnach derzeit in der postindustriellen Gesellschaft, der Dienstleistunggesellschaft.

Eine Dienstleistung ist im wesentlichen dadurch charakterisiert, dass diese nicht lagerbar, selten übertragbar und derzeit schwer automatisierbar ist. Letzteres heisst aber nicht, dass nicht auch im Dienstleistungsbereich in vielen Bereiche erhebliche Produktivitätsverbesserungen erfolgen oder Dienstleistungen wegrationalisiert werden. Und Fortschritte in der Entwicklung androider Roboter können langfristig auch den Dienstleistungsbereich ähnlich schrumpfen lassen wie die Landwirtschaft und das produzierende Gewerbe.

Es könnte also sein, dass eines Tages 1% des BIP aus der Landwirtschaft, 1% aus dem produzierenden Gewerbe und 1% mit Dienstleistungen erbracht werden. Womit aber werden die restlichen 97% erwirtschaftet? Es gibt derzeit keinen vierten Sektor in der Drei-Sektoren-Hypothese, aber die Theorie stammt aus den 1930er Jahren, bevor es den Computer gab. Gegenwärtig sieht es so aus, dass der vierte Sektor “Informationssektor” heissen wird, und dass wir demnächst nicht mehr in einer Dienstleistungsgesellschaft, sondern zunehmend in der vielbeschworenen “Informationsgesellschaft” leben werden.

Die Informationsgesellschaft

Was aber bedeutet das für die Menschen, die Arbeit und das Einkommen? Sollte es so kommen, werden möglicherweise eher noch mehr Menschen vom Erwerbsprozess ausgeschlossen, denn eine Informationsgesellschaft erfordert in erster Linie intellektuelle Fähigkeiten zur “erfolgreichen Komplexitätsreduktion wie Abstraktion und Modellierung, Gerbrauch von komplexen Werkzeugen, kognitiven Stellvertretern wie speziellen Symboliken, Prozessdenken, Nutzung nichtlinearer Hypermedialität, Kommunikation mit bildhaften Präsentationen und den sicheren Gebrauch narrativer Strukturen.”

Und es ist sicher nicht von Nachteil in einer Informationsgesellschaft, sich direkt mit den Maschinen über Programmiersprachen zu verständigen, auf jeden Fall aber sollte man den sicheren und kreativen Umgang mit informationstechnischen System aller Art gut beherrschen.

Auch wenn mir persönlich die Informationsgesellschaft entgegenkommt, klingt das alles wenig verheissungsvoll für die Mehrzahl der Menschen in diesem Land.

Unser Bildungssystem bereitet seit Jahrzehnten junge Menschen vor allem auf eine Beamtenkarriere vor, und nur in geringem Umfang darauf, Protagonisten der Informationsgesellschaft zu sein. Trotz aller Sonntagsreden der grossen Politik ist eine schnelle Änderung derzeit nicht in Sicht, wobei die derzeitige Krise da auch hilfreich sein könnte.

Selbst als Automechaniker oder Klempner kommt man heutzutage ohne komplexe informationstechnische Werkzeuge nicht aus. Die Einstellwerte für die Druckregulierer unserer Heizung kommen aus dem Rechner, die Heizungsanlage selbst ist ein komplexer Verbund aus Mikroprozessorsystemen, die Wärmeverbrauchszähler funken ihre Daten zu einem Repeater im Hausflur, der sie an den Repeater im Erdgeschoss weiterleitet, so dass der Ableser nicht einmal das Haus betreten muss. Selbst die Türklingeln und Haussprechanlage sind rechnergesteuert, und das alles ist kein besonderer Technikschnickschnack, sondern normaler Standard, wenn man im Jahre 2007 ein Haus errichtet. In meinem vier Jahre alten Auto werkeln ein Dutzend Prozessoren vor sich hin, und in Japan sind viele Toiletten mit komplexer Rechnersteuerung ausgestattet, die bei korrekter Bedienung nicht nur die Brille auf Wunschtemperatur vorheizt, sondern mit gezielten gepulsten Wasserstrahlen das Hinterteil reinigen und mit warmer Luft trocknen kann, so dass man kein Papier mehr braucht.

Das alles sind aber nur Vorboten. Die Zahlen für die Rechenspiele in diesem Artikel kriegt man in wenigen Minuten direkt vom Bundesamt für Statistik, auch wenn man etwas suchen muss. Das Internet ändert einfach alles. Lernen, Arbeiten, Verkaufen, Produzieren, Freizeit, Wissenschaft und vielleicht auch eines Tages die Politik, also die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft unsere Regeln bestimmen, nach denen wir zusammenleben wollen.

Noch leben wir in einer “Fernsehdemokratie”, aber diese wird wohl eines Tages zur “Internetdemokratie” werden, und hoffentlich nicht zum Internetfaschismus.

Nach zwanzig Jahren aktiver Nutzung des Internet und seiner Vorläufer bin ich der Überzeugung, dass die meisten überschwänglichen Voraussagen, wie das Internet die Welt verändern wird, eintreffen werden, wenn auch nicht so schnell, wie man seinerzeit im Hype geglaubt hat, aber sieht man sich allein Google, Amazon und E-Bay an, kann man nicht bestreiten, das da sehr schnell ganz neue Unternehmen mit erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung entstanden sind.

Die eigentliche Revolution geht aber im kleinen und oft abseits der grossen Medien oder der grossen Politik vonstatten. Auch wenn im “Web 2.0” nicht jeder zwangsläufig zum Produzenten nützlicher Dinge wird, so gibt mittlerweile eine überwältigende Vielfalt von Texten, Bildern, Meinungen, Podcasts, Reportagen, Kontaktmöglichkeiten, Informationen, Software, Dienstleistungsangeboten und Waren im Netz, die von Millionen Menschen auf der ganzen Welt zeitnah, direkt, niederschwellig und mit vergleichsweise geringem Aufwand eingebracht werden.

Wenn der Hype ums “Web 2.0” abgeklungen sein wird und die Euphorie verflogen, werden wir wohl auch hier feststellen, dass mit einiger Verspätung dann doch die meisten meisten euphorischen Vorhersagen eingetroffen sind und unsere Gesellschaft und Wirtschaft grundlegend transformiert wurde.

Bedeutung von Geld

Was hat das jetzt alles mit dem Grundgehalt zu tun? Wenn Nahrung, Güter und Dienstleistungen in Zukunft praktisch im Überfluss und zu geringen Preisen verfügbar sein werden, stellt sich nicht nur die Frage, womit wir unser Geld verdienen, sondern auch wozu. Brauchen wir dann überhaupt noch Geld?

Geld ist eine Maßeinheit für Vertrauen und gegenseitige Verpflichtung (Schuld), und wird in der Informationsgesellschaft eher noch an Bedeutung gewinnen.

Geld wird weniger Bedeutung als Mittel zur Erfüllung von (Grund-)bedürfnissen haben, sondern vor allem als sichtbares Zeichen gesellschaftlicher Anerkennung und Wertschätzung einzelner oder von Gruppen dienen, und in noch grösserem Masse als bisher das Ausmass der Einflussnahme auf die Gestaltung unserer Gesellschaft bestimmen. Wer Geld hat, wird in Zukunft noch mehr politischen Einfluss haben als bisher.

Insofern ist ein bedingungsloses Grundeinkommen auch ein Symbol für politische Teilhabe. ALG2 mit seinen vielfältigen Unterwerfungsregeln dagegen stigmatisiert nicht nur, es entmündigt den Empfänger, auch wenn ich der Meinung bin, das es zumindest Familien ohne Kinder eine ausreichende materielle Sicherheit bietet. (Meiner Meinung nach müsste es für Kinder einen höheren Satz geben als für Erwachsene.)

Doch wo soll das Geld nun sinnvollerweise herkommen in der Informationsgesellschaft?

Dazu ist leider ein weiterer Exkurs nötig, der in die Welt des geistigen Eigentums. Patente und Urheberrechte scheinen in der Informationsgesellschaft einen hohen Stellenwert zu besitzen, und so erklären sich auch die Schritte der amerikanischen und europäischen Politik, den gesetzlichen Schutz “geistigen Eigentums” zu verstärken und zu zeitlich auszudehnen, um auf diese Art die volkswirtschaftlichen Grundlagen der “Informationswertschöpfung” zu verbessern.

Leider ist das zu kurz gedacht, denn die praktizierte Zuordnung geistiger und kreativer Schöpfungen zu “Eigentümern” ist in vielen Fällen höchst problematisch und behindert die Entwicklung der Informationsgesellschaft. Gleichzeitig stellt sich natürlich die Frage, wie ein Einzelner oder ein Unternehmen für seine schöpferische Tätigkeit “belohnt” wird, wenn das produzierte Immaterielle anderen Nutzen oder Freude bringt.

Eine einfache Antwort darauf habe ich nicht parat, und es gibt sie wohl auch nicht, aber dennoch versuche mich einmal an einer Hypothese:

Zunächst einmal möchte ich unterstellen, dass jeder Mensch in irgend einer Form grundsätzlich zur Bereicherung dieser Welt und unserer Welt beiträgt, sei es Freund, Zuhörer, Kritiker, Tröster, Erschaffer von Witzen, Partner, Vater, Mutter oder einfach dadurch, dass er jemandem hilft, die Strasse zu überqueren.

Dass dem so sein muss lässt sich allein an einem Gedankenspiel erkennen: Wie froh wären wir wohl, einem Menschen zu begegnen, wenn wir glauben würden, der einzige Mensch auf der Welt zu sein.

Allein dadurch lässt sich meiner Meinung nach rechtfertigen, dass jeder Mensch allein aufgrund dieser Bereicherung der Welt durch seine schlichte Existenz es verdient, bei der Verteilung der Reichtümer dieser Welt angemessen berücksichtigt zu werden.

Das Problem liegt im Begriff “angemessen”, denn bei allzu kleinen Beiträgen stünde der Aufwand, diese zu messen, in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Doch hier könnte man auf zweierlei Weise ansetzen: Zum einen über Pauschalieren, eben das bedingungslose Grundeinkommen, zum anderen aber über den bekannten pauschalen Mechanismus zum Geldeinsammeln: Steuern und Abgaben. Denn so wie man voraussetzen kann, dass jeder die Welt bereichert, so kann man davon ausgehen, dass er Schöpfungen anderer zu seinem Nutzen verwendet, insofern ist eine pauschale Abgabe sicher berechtigt.

In der Informationsgesellschaft könnte man aber deutlich weitergehen: Warum sollte nicht jeder zusätzlich ein “Konto” haben, auf das er Geld bekommt, wenn andere Menschen der Meinung sein, er habe es verdient? Wenn ich einen netten Film oder ein interessantes Paper nutze oder ein Musikstück höre, so könnte ich von Hand oder automatisch bestimmen, dass der oder die Schöpfer einen größeren Anteil aus dem Topf verdient haben. Natürlich kann ich heutzutage auch direkt spenden, und viele tun dies auch, aber die Transaktionskosten sind oft prohibitiv. Meine Zeit ist einfach zu wertvoll, als dass ich sie dafür aufwenden würde, jemanden einen einzelnen Euro zu überweisen.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Ich persönlich tue mich schwer damit, für die Nutzung geistigen Eigentums zu bezahlen, und ärgere mich eigentlich fast jedes mal darüber, wenn ich es tun muss. Der Grund dafür ist, dass ich meist das Gefühl habe, das Geld dem Falschen zu geben oder über den Tisch gezogen zu werden.

Wenn ich für eine Windows-Lizenz bezahle, dann sind die Entwicklungskosten bereits hundertmal von anderen abgegolten. Bei den Stückzahlen dürfte Windows nicht mehr als eine Handvoll Euro kosten.

Wenn ich Musik bei einem grossen Label kaufe, landet nur ein Bruchteil des Geldes beim Künstler, dass meiste landet in den Taschen unsympathischer Schmarotzer.

Ein besseres Modell wäre es, wenn ich einmalig in jemanden oder eine Gruppe Geld investieren könnte und dann auf alle Zeit an den Schöpfungen teilhaben könnte.

Oder alternativ jeden Monat einen festen Geldbetrag zahlen und mich dafür frei bedienen können. Was ich aber nicht will, sind hunderte von Abonnements.

Ich würde auch mit Freuden die Rundfunkgebühr zahlen, wenn ich dafür dauerhaften Zugriff auf die Rundfunkarchive hätte. Derzeit fühle ich mich auch hier über den Tisch gezogen.

Vermögen und Erbschaft

Aber wo bekommen wir jetzt das Geld für das Grundeinkommen her? Wenn wir nicht die Lebenden enteignen wollen oder können, wie wäre es mit den Toten? Wie sieht es eigentlich in Deutschland mit den Erbschaften aus?

In 2007 betrug das jährliche Aufkommen der Erbschaftssteuer in Deutschland rund 4,2 Mrd. Euro, dabei wurden Vermögen in Höhe von insgesamt 28,1 Mrd. verschenkt oder vererbt, 19 Mrd. davon steuerpflichtig.

Die Gesamthöhe von 28,1 Mrd. ist verdächtig niedrig. Denn nimmt man das Unternehmens- und Vermögenseinkommen von 654,3 Mrd., multipliziert das mit 12,5 und teilt das durch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 80 Jahren, müssten pro Jahr eher 102 Mrd. an Vermögen ihren Besitzer wechseln.

Diese Diskrepanz kann viele Ursachen haben, die sich wahrscheinlich ergänzen: Viele Inhaber grosser Vermögen haben noch nicht vererbt, es wird an der Erbschaftssteuer vorbei vererbt, und die Vermögenswerte werden deutlich unterbewertet. Und viele in Steueroasen und Stiftungen geparkten grossen Vermögen tauchen in den 102 Mrd. gar nicht auf.

Derzeit werden in Deutschland jedes Jahr 684.000 Menschen geboren. Würde man die Erbschaftssteuer komplett auf die Neugeborenen verteilen, erhielte jeder rund 6100 Euro.

Würde es gelingen, die Hälfte des jährlich tatsächlich vererbten Vermögens auf die Neugeborenen umzuverteilen, also rund 50 Mrd. Euro, so besäße jeder Neugeborene bei seiner Geburt ein Vermögen von rund 73.000 Euro. Bei einer vernünftigen realen Verzinsung von 2% p.a. wären bei seinem 18. Lebensjahr 102.000 Euro Startkapital ins Leben, die er für Studium oder Unternehmerische Aktivitäten einsetzen könnte, oder einfach als Rücklage für schlechte Zeiten behalten, oder sich davon eine Wohnung kaufen, oder das Geld für Parties und Drogen ausgeben, ein dickes Auto kaufen, eine mehrjährige Weltreise machen oder das Geld einfach für die Rente weiter liegen lassen.

Bei einer höheren Verzinsung von etwa 5% p.a. würden daraus bis zum Alter von 65 Jahren 1,6 Mio. Euro. Jemand, der dieses Geld nicht antastet oder dafür eine Wohnung kauft, bräuchte sich also kaum Sorgen um sein Auskommen im Alter zu machen.

Ein derartiges Startkapital ins Leben wäre zwar etwas anderes als ein Grundeinkommen, würde aber sicher eine interessante gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik in Gang setzen.

Konsumsteuer

Die aktuelle Petition zum Grundeinkommen sieht eine Finanzierung durch eine Konsumsteuer vor, die nach meinem Verständnis nicht anderes ist als eine höhere Mehrwertsteuer. Dafür soll die Lohn- und Einkommensteuer ganz wegfallen. Der Ansatz ist auf den ersten Blick durch interessant, denn den Verbrauch zu besteuern klingt nicht nur ökologisch sinnvoll, der Konsum ist auch der grösste Posten in der Gesamtrechnung, und selbst ein moderater Prozentsatz bringt da sehr viel Geld in Kasse.

Für die Frage der Verteilung in der volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ist es aber zunächst egal, wie man eine Abgabe nennt und worauf man sie erhebt. Sie spielt zwar für das Verhalten der Menschen eine Rolle, aber das Geld insgesamt wird dabei erst mal nicht mehr.

Mehr wird es nur durch Wirtschaftswachstum, aber das stösst ja derzeit auf externe Grenzen.

Unter ökologischen Gesichtspunkten wäre eine höhere Konsumsteuer zwar sinnvoll, aber wir haben ja derzeit schon die Mehrwertsteuer als Konsumsteuer.

Und eine Konsumsteuer trifft generell die Armen mehr als die Reichen, denn es gibt da keine Progression. Reiche können ausserdem mehr sparen und würden daher noch mehr Geld anhäufen können als bisher.

Ohne eine zusätzliche hohe Vermögens- und Erbschaftsteuer würde das Modell ganz schnell die soziale Kluft vergrössern.

Finanzierbar wäre das zwar, man müßte allerdings den Mehrwertsteuersatz bereits auf 40% verdoppeln, um allein den Wegfall der Lohn- und Einkommensteuer zu kompensieren.

Würde das Grundgehalt tatsächlich bedingungslos ausgezahlt, wäre dann noch einmal eine Erhöhung um das 3.5 fache nötig, also bräuchten wir einen Mehrwertsteuersatz von 140%, statt 19% wie bisher, denn ein Grundeinkommen von durchschnittlich 1200 Euro/Monat würde fast 1200 Mrd./Jahr kosten. (Wird dagegen Einkommen oder Vermögen irgendwie angerechnet oder abgezogen, haben wir praktisch die gleiche Situation wie jetzt auch, nur mit anderen, günstigeren Parametern für den Bezieher. Menschen mit niedrigem und mittlererm Erwerbseinkommen wären dann die größten Verlierer - keine Pogressionsvorteil, aber höhere Preise!)

Das frei verfügbare Einkommen der Haushalte derzeit beträgt 1550 Mrd. und würde sich dadurch drastisch erhöhen auf einen Betrag, der in der Grössenordnung des jetzigen BIP liegt.

Was das für Folgen hätte, weiss niemand, aber eine deart drastische Veränderung würde erst mal ein ziemliches Chaos nach sich ziehen, und Konsumsteuerbetrug würde sich richtig lohnen, da müsste man wohl eine eigene Polizeitruppe aufstellen, um den Schwarzhandel zu bekämpfen.

Alles in allem bin skeptisch, dass 140% Mehrwertsteuer eine gute Idee sind. Grundsätzlich könnte aber eine Teilfinanzierung über eine Konsumsteuer sinnvoll sein, am besten aber in Verbindung mit einer richtigen aufkommensneutralen “Ökosteuer”, die uns alle zu mehr nachhaltigem Wirtschaften animiert.

Lässt man dagegen das Grundeinkommen aussen vor, wäre es durchaus denkbar, zunächst die Lohn- und Einkommensteuer durch eine Verdoppelung des Mehrwertsteuersatzes wegfallen zu lassen. Dann müsste aber durch eine deutlich höhere Vermögens- und Erbschaftsteuer ein sozialer Ausgleich erfolgen. Damit liesse sich dann etwa das Startkapital ins Leben finanzieren.

Einkommensabhängiges Bedinungsloses Grundeinkommen

Die meisten Modelle für Bedingungloses Grundeinkommen gehen irgend wie davon aus, dass man nur denen etwas zahle solle und müsse, die zu wenig haben. Obwohl ich der Meinung, bin das es sich bei diesem Modell um einen Ettikettenschwindel handelt und wir ein solches Modell aus finanzieller Sicht ja beinnahe haben, hier auch der Versuch einer stark vereinfachten Rechnung dazu:

Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass die Höhe des Grundeinkommen bei 12.500 Euro/Jahr liegen soll, dass sind 1041 Euro/Monat. Sehen wir uns dann die Einkommensteuerstatistik an, (leider ist die beim Bundesamt nur bis 2004 frei verfügbar oder vorhanden), so kommen wir auf rund 21 Mio. Steuerpflichtige, die mehr steuerspflichtiges Einkommen als 12.500 Euro/Jahr haben. Rund 5 Millionen Steuerpflichtige haben zwischen 0 und 12.500 Euro zu versteuern, und eine halbe Million Steuerpflichtige machten Verluste geltend, insgesamt in Höhe von 7 Mrd. Euro. Was machen wir eigentlich mit denen? Ersetzen wir die Verluste? Ist das Grundeinkommen pfändungsfrei?

Doch weiter in der Rechnung: die 0-12.500 Euro-Verdiener sind auf diese Spanne weitgehend gleich verteilt, so dass wir rund 2 Mio. weitere Menschen als versorgt betrachten. Macht also 24 Mio. Bürger, die nichts bekommen. Von den 82 Mio. Einwohnern bleiben also noch 58 Mio., die jetzt kein eigenes steuerpflichtiges Einkommen haben oder voll unterversorgt sind, also rund 70%.

Das heisst, oben stehende Werte für die "Vollversorgung" sind größenordnungsmäßg weiterhin gültig, wir kommen aber mit einer Luxussteuer von 100% aus, und müssen "nur" 850 Mrd. für das Grundeinkommen aufwenden. Wir sehen also, wenn schon Grundeinkommen, dann kann man das auch gleich an alle zahlen. Als Zahl kann man sich jedenfalls merken, dass derzeit nur 30% aller der Bürger das Geld für alle anderen verdienen.

Resume

Ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden in der Größenordnung von 500 Euro/Monat wäre volkswirtschaftlich betrachtet in Deutschland möglich, ohne mehr Geld umzuverteilen als bisher. Würde man noch mehr umverteilen, könnte man rein finanziell gesehen den Betrag sogar deutlich bis auf das vierfache erhöhen, würde aber sehr bald an die Grenzen der Verfassung stossen, die meines Wissens jedem das Recht auf mindestens die Hälfte seines Einkommens garantiert, und teilweise erreicht die Abgabenlast in vielen Bereichen jetzt schon diese Grenze.

Das Grundeinkommen für jeden würde aber in fast zwangsläufig zu Lasten von Rentnern, Arbeitslosen und Bedürftigen gehen, und eine verfassungsgemässe Einführung würde jahrzehntelange Übergangsfristen erfordern.

Andererseits stehen wir am beginn einer neuen Phase der volkswirtschaftlichen Entwicklung, die zwar viele neue Chancen bietet, aber gleichzeitig sämtliche ökologischen, sozialen und demografischen Problem verschärfen wird, ohne dass es derzeit befriedigende Lösungsansätze gibt.

Klar ist aber, dass es auf Dauer nicht so weitergehen kann, denn die Informationsgesellschaft wird im Rahmen der bisherigen gesellschaftlichen Verhältnisse eher mehr Menschen von der Teilhabe ausschliessen.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen in nennenswerter Höhe wird aber, wenn die Produktivität so weiter wächst wie bisher, ein sinnvolles oder gar notwendiges Instrument werden, will man den sozialen Frieden bewahren. Zufrieden stellen wird es aber niemanden, und es gibt meiner Meinung nach einfachere und niederschwelligere Mittel wie ein Startkapital von 100.000 Euro für Volljährige oder ein staatlich organisiertes, diskriminierungsfreies Vergütungssystem, in dass alle Bürger und Unternehmen einzahlen und aus dem alle Bürger, Organisationen und auch Unternehmen entlohnt werden können, abhängig davon, für wie wertvoll die Bürger den gesellschaftlichen Beitrag erachten.

Mit den Mitteln der Informationsgesellschaft wäre es durchaus möglich, eine derartige Umverteilung von Geld nach dem Willen der Menschen im Land zu organisieren. Derzeit gibt es hunderte oder gar tausende von Organisationen im Land, die staatliche Zuwendungen erhalten, um Menschen zu helfen. Viele davon werden aber den Übergang ins Informationszeitalter nicht überleben oder ihre Existenzberechtigung verlieren.

Ein System, das Sportlern, Kulturschaffenden, Forschern, Erfindern, ehrenamtlichen Dienstleistenden, gemeinützigen Verbänden und Vereinen, aber auch direkt dem einzelnen eine Vergütung zukommen lässt, wäre sicher eine Antwort darauf, wie man gesellschaftlich wertvolle Tätigkeiten ermöglichen und fördern kann, wenn in der Gesellschaft die traditionelle Form der Erwerbsarbeit überflüssig wird.

Diese Mittel, die die Menschen erhalten, stehen dann ja ebenfalls zur Verfügung, um den Wirtschaftskreislauf anzutreiben.

Quellen:

[1] Statistisches Bundesamt: Deutsche Wirtschaft, 4. Quartal 2008

[2] Statistisches Bundesamt: Finanzen und Steuern: Erbschafts- und Schenkungssteuerstatistik 2007

[3] Statistisches Bundesamt: Dr. Margot Münnich Einnahmen und Ausgaben von Rentner- und Pensionärshaushalten

[4] Statistisches Bundesamt:Soziale Mindestsicherung in Deutschland 2006, Ausgabe 2008

[5] Heske, Gerhard: Bruttoinlandsprodukt, Verbrauch und Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland 1970- 2000. Neue Ergebnisse einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Köln 2005

[6] Statistisches Bundesamt: Statistik über das Steueraufkommen (2005-2007) , Grafik 2007

[7] Einkommensverteilung nach Haushaltsgruppen und Einkommensarten 1991 bis 2005

[8] BITKOM: Daten zur Informationsgesellschaft Status quo und Perspektiven Deutschlands im internationalen Vergleich Edition 2007

[9] Statistisches Bundesamt: Jährliche Einkommensteuerstatistik 2004


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