http://eifelphilosoph.blog.de/2009/08/28/blogger-fragen-politiker-antworten-schnell-6840637/
Blogger fragen ... Politiker antworten schnell.
@ 2009-08-28 – 14:06:52
Was viele vielleicht nicht erwartet haben, ist eingetreten. Noch ist die Woche nicht vorbei, da brachte mir die Post ein persönliches Schreiben von Guido Westerwelle ... handsigniert.
Ich weiß, das die FDP bei vielen nicht gut gelitten ist. Sie wird gerne als die Partei des Großkapitals, als bürgerferner Geldadelverband angesehen ... und das ist in vielen Kreisen auch außerhalb der Bloggerwelten so.
Umso mehr muß man es schätzen, das auf eine konkrete Nachfrage eine konkrete Anwort kommt, eine Anwort, die viele überraschen wird.
Es fällt mir momentan schwer, den gesamten Brief zu veröffentlichen, alldieweil ich ihn persönlich eingeben müßte, wozu mir momentan die Zeit fehlt.
Aber ich möchte, vielleicht zur Beruhigung für viele, die das Schreckgespenst der Zwangsarbeit nach der Wahl am Horizont auftauchen sehen, zumindest jene Passage zitieren, die direkt Stellung bezieht zu der Ungeheulichkeit, die in vielen Zeitungen zitiert wird.
"Da unsere Politik den Prinzip folgt "Leistung muß sich wieder lohnen" und "wer arbeitet soll mehr haben als der, der nicht arbeitet" haben wir auch die Hinzuverdienstgrenzen im Vergleich zum Arbeitslosengeld II
(Hartz IV) deutlich angehoben. Durch die verbesserten Hinzuverdienstgrenzen wirkt das Bürgergeld auf
Arbeitlose und Hinzuverdienende aktivierend, stärkt die Eigenverantwortung und ist ein entscheidender Schritt zu Bekämpfung der Schwarzarbeit. Gleichzeitig erspart unser Konzept den Geringverdienern und Arbeitssuchenden den mehrfachen (demütigenden) Gang zu vielen Ämtern".
(PS: die Schreibfehler habe ich übernommen ... ist wohl kein in Serie gefertigtes Schreiben).
Näher erläutert wird das Bürgergeld mit einer Rede zum Parteitag der FDP, die dem Schreiben beigelegt wurde.
Es wird mit der FDP keine Zwangsarbeit geben, sondern ein Einstieg in ein Grundeinkommensmodell, das moderner ist als die Lösungen, die andere Parteien undurchdacht und völkerrechtswiedrig in den Raum posaunen. Hiermit ist sichergestellt, das ein Martin Lindner in der SPD keine Mehrheit bekommt.
Wie die Zukunft der ARGEN nach diesem Modell aussehen wird, kann sich jeder selber denken.
Besonders bemerkenswert finde ich die Erkenntnis eines führenden bundesdeutschen Politikers, das die
Antragsrennerei zur ARGE für Menschen, die oft genug 20 - 30 Jahre ihre Beiträge gezahlt haben, demütigend sein kann. Solche Erkenntnisse würde ich mir von mehr Menschen wünschen...nicht nur von Politikern.
In Zeiten steigender Wahl- und Politikmüdigkeit möchte ich an dieser Stelle auch ein Lob an Herrn Guido Westerwelle aussprechen (aber keine Wahlempfehlung, sowas mache ich nicht ... mehr), denn einem Wähler eine solche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, scheint mir im Rahmen der bundesdeutschen Politik außergewöhnlich ... und einfach mal lobenswert.
Nur eine kleine Aktion, die aber vielen Menschen zeigen kann, das Dialog mit der Politik möglich ist - selbst Dialog mit führenden Spitzenpolitikern.
Wählen gehen ... kann sich lohnen. Reden auch.
Dabei ... kommt es auf uns alle an.
So, und hier also das Programm der FDP - über die Höhe des angepeilten Bürgergeldes schweigt sich die Partei allerdings aus. Es steht zu befürchten, dass es schlechter ausfallen wird, als das was bisher bei Hartz IV, etc., gezahlt wurde. Die Sanktionen sollen bleiben, Arbeit hat nach wie vor Vorfahrt.
Das Liberale Bürgergeld: aktivierend, einfach und gerecht.
07.05.2005
Die FDP fordert die Einführung des Liberalen Bürgergeldes mit dem Ziel, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft wieder in Kraft zu setzen – für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland.
Nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe soll der Sozialstaat jedem Bürger die Chance sichern, so weit wie möglich aus eigener Kraft ein selbst bestimmtes Leben führen zu können.
Nach dem Leistungsprinzip soll jeder Bürger die Chance bekommen, seine Lebenssituation eigenverantwortlich durch eigene Leistung zu verbessern.
Nach dem Solidaritätsprinzip muß derjenige, der staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, zu einer zumutbaren Gegenleistung an die Gesellschaft bereit sein.
Um diese Prinzipien wieder in Kraft zu setzen, wird das gesamte Sozialsystem modernisiert: Möglichst alle steuerfinanzierten sozialen Hilfen des Staates werden auf die Bedürftigkeit der Bürger ausgerichtet, pauschaliert und in einem Universaltransfer, dem Bürgergeld, zusammengeführt. Darüber hinaus wird das Bürgergeld mit der Einkommensteuer zu einem Steuer-Transfer-System aus einem Guß verbunden. Steuern und soziale Hilfen werden im Finanzamt miteinander verrechnet. Bürger mit höherem Einkommen zahlen Steuern an das Finanzamt, Bürger mit niedrigem oder gar keinem Einkommen bekommen das Bürgergeld als eine negative Einkommensteuer ausbezahlt.
Der FDP ist es 1995 erstmalig gelungen, den Begriff der negativen Einkommensteuer im Einkommensteuergesetz zu verankern. Seit diesem Zeitpunkt wird Kindergeld als negative Einkommensteuer ausgezahlt. Da das Existenzminimum für jeden steuerfrei ist, hat jeder Bürger auch für seine Kinder Anspruch auf den Kinderfreibetrag, der das Existenzminimum für Kinder darstellt. Das monatlich ausgezahlte Kindergeld wird mit der Wirkung des Kinderfreibetrages verrechnet.
Dieses Modell ermöglichte eine drastische Vereinfachung des bis dahin geltenden Systems des nicht verbundenen Kindergeldes und Kinderfreibetrages. Es gab z.B. Kindergeldzuschläge, sowie auch Kindergeldabschläge. Das Familienministerium brauchte seinerzeit eine 80-seitige Broschüre, um die unterschiedlichen Differenzierungen darzustellen.
Aufgrund dieses neuen Modells der FDP konnte das Kindergeld für das 1. und 2. Kind von damals 35 Euro (70 DM) auf inzwischen 154 Euro erhöht werden.
Dieses Modell gilt es auf andere Sozialleistungen auszuweiten.
Für den Bürger entsteht ein einfaches, verständliches und dadurch gerechtes Sozialsystem. Die Anzahl der Ansprechpartner für die finanziellen Bedürfnisse der Bürger wird auf ein Minimum reduziert, Mehrfacherklärungen über Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber unterschiedlichen Ämtern entfallen.
Im Bereich unterer und mittlerer Einkommen wird durch ein System intelligenter Hinzuverdienst- und Sanktionsmechanismen gewährleistet, daß ein gleitender und lohnender Übergang zu höher bezahlter Arbeit entsteht – für mehr Arbeit und Wohlstand in unserem Land.
Die FDP stellt fest:
Die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Arbeitslos zu sein ist für jeden der über fünf Millionen Betroffenen und deren Familien ein hartes Schicksal.
Die Massenarbeitslosigkeit gefährdet die finanziellen Grundlagen der öffentlichen Haushalte und ist eine der Hauptgründe für wachsende Verschuldung und sinkende öffentliche Investitionsquoten. Wenn nicht mehr erwirtschaftet wird, was anschließend verteilt werden soll, sind noch mehr Schulden und weitere Einschnitte ins soziale Netz die zwangsläufige Folge.
Etwa die Hälfte aller Arbeitslosen ist gering oder gar nicht qualifiziert. Die Produktivität ihrer Arbeit erreicht vielfach nicht das für die Sicherung der Existenz erforderliche Einkommensniveau. Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe hatten zudem in ihrer Wirkung einen faktischen Mindestlohn definiert, unterhalb dessen es nicht lohnenswert war, eine Arbeit aufzunehmen. Gerade die gering oder nicht qualifizierten Arbeitslosen sind so in eine systembedingte Langzeitarbeitslosigkeitsfalle geraten.
Um die Benachteiligung dieser Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt zu überwinden, will die FDP sie über Teilzeitarbeit oder geringfügige Beschäftigungsverhältnisse aktivieren und in den ersten Arbeitsmarkt integrieren. Hierzu bedarf es eines intelligenten Anreizsystems zur Arbeitsaufnahme, begleitet von einer unterstützenden Tarifpolitik.
Die rot-grünen Arbeitsmarktreformen (Hartz-Gesetze) leisten zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt keinen hinreichenden Beitrag. Die Maßnahmen gehen teilweise in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht aus, um Deutschland endlich auf einen Wachstumspfad zu bringen. Folglich steigt die Arbeitslosigkeit auf immer neue Rekordwerte. Statt dem Arbeitsmarkt den notwendigen Befreiungsschlag zu geben, damit genügend Arbeitsplätze überhaupt ent-stehen können, werden den Arbeitslosen faktisch die Leistungen gekürzt, ohne ihnen neue Chancen durch Arbeit zu eröffnen.
Es fehlen ergänzende Reformschritte zur Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, zur notwendigen Öffnung der Tarife nach unten und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die in Deutschland tätigen Unternehmen, damit diese wesentlich mehr Arbeitsplätze anbieten können.
Die Zusammenlegung der steuerfinanzierten Sozialleistungen Arbeitslosen- und Sozialhilfe war ein wichtiger Schritt in Richtung Bürgergeld. Der grundlegende Systemwechsel hin zu einer weiteren Bündelung paralleler Transferstrukturen und die Integration in das Steuersystem ist jedoch nicht vollzogen worden. Es bleibt beim intransparenten und bürokratischen Sozialstaat mit seinen undurchschaubaren Verantwortlichkeiten und Kontrollmechanismen, mitsamt seinen hohen Fehlsteuerungskosten und Mitnahmeeffekten. Der Sozialstaat bleibt für den Bürger undurchschaubar.
Statt halbherziger Reformschrittchen braucht Deutschland grundlegende Reformen, die aufeinander abgestimmt und miteinander wirken müssen. Ergänzend zu der Liberalen Steuerreform, den liberalen Vorschlägen für die Neugestaltung der Kranken- und Pflegeversicherung und den liberalen Arbeitsmarktreformen fordert die FDP eine beschäftigungswirksame Reform des Sozialstaats durch die Einführung des Liberalen Bürgergeldes: aktivierend, einfach und gerecht.
Das Bürgergeld ist ein Steuer-Transfersystem aus einem Guß
Derzeit existieren 138 verschiedene Sozialleistungen, die von 45 verschiedenen staatlichen Stellen verwaltet werden. Ziel des Bürgergelds ist es, möglichst alle steuerfinanzierten Sozialleistungen in einem Universaltransfer zusammenzufassen. Dazu gehören sowohl die Grundsicherung, die Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen), das Wohngeld, das Arbeitslosengeld II und das BAföG, als auch die mit dem liberalen Reformkonzept für die Kranken- und Pflegeversicherung verbundene steuerfinanzierte Unterstützungsleistung für Kinder und für Personen mit unzureichendem Einkommen.
Dieser Universaltransfer wird als Bürgergeld mit dem Steuersystem und dem Kindergeld zu einem Steuer-Transfer-System aus einem Guß verbunden. Der überwiegende Teil aller finanziellen Beziehungen zwischen Bürger und Staat und der soziale Ausgleich zwischen Leistungsstarken und Bedürftigen finden zukünftig nach einfachen, transparenten Regeln im Steuersystem statt.
Das Bürgergeld wird auf der Grundlage folgender Leistungsbedarfe ermittelt:
- Pauschale zur Sicherung des Lebensunterhalts (Ernährung, Kleidung und Hausrat), - Pauschale für Unterkunft und Heizung (differenziert nach den örtlichen Gegebenheiten), - Pauschalen zu den Beiträgen für Kranken- und Pflegeversicherung, - Pauschale für Nachteilsausgleich bei Nichterwerbsfähigkeit und/oder Schwangerschaft, - Pauschale für Mehrbedarfe bei Ausbildung und bei speziellen, häufig vor-kommenden Behinderungen und Erkrankungen.
Grundlage für die Berechnung des Bürgergeldes bilden alle Erwachsenen und Kinder in der so genannten Bedarfsgemeinschaft. Zur Bedarfs-gemeinschaft rechnen alle in einem Haushalt zusammenlebenden Personen.
Das Bürgergeld ist einfach, gerecht und hilft zielgenau
Durch die Zusammenfassung der verschiedenen steuerfinanzierten Sozialleistungen und durch Pauschalierungen wird das Sozialsystem für die Bürger überschaubar und transparent. Zudem wird ausgeschlossen, daß staatliche Hilfen zu Unrecht mehrfach in Anspruch genommen werden können. Hilfe bekommen nicht mehr diejenigen, die sich im Sozialdickicht am besten auskennen, sondern diejenigen, die Hilfe wirklich brauchen. Das Bürgergeld schützt so die Bedürftigen vor den Findigen und ist somit auch gerecht.
Die Treffsicherheit des Bürgergelds wird durch eine Bedürftigkeitsprüfung gewährleistet: Unterstützt werden nur diejenigen, die nicht oder nur teilweise in der Lage sind, das durch das Bundesverfassungsgericht beschriebene soziokulturelle Existenzminimum aus eigener Kraft zu erwirtschaften. Das Kindergeld und die Pauschale für die Gesundheits-prämie der Kinder werden unabhängig von der Bedürftigkeit generell in voller Höhe gewährt.
Ziel des Bürgergelds ist es zum einen, Chancen zu sichern, wo Hilfe nötig ist und zum anderen die Eigenverantwortung zu stärken, wo ein eigener Beitrag für sich oder die Gesellschaft geleistet werden kann. Von einem Bürgergeldempfänger, der gesund ist und keine eigenen Angehörigen zu versorgen hat, ist grundsätzlich zu erwarten, daß er zu einer Gegenleistung an die Gemeinschaft bereit ist oder eine ihm angebotene Arbeit annimmt. Andernfalls wird sein Bürgergeld merklich vermindert. Das Bürgergeld schützt so die Fleißigen vor den Faulen und fördert damit die Leistungsbereitschaft.
Das Bürgergeld wirkt aktivierend und reduziert die Arbeitslosigkeit
Das Bürgergeld setzt das Leistungsprinzip auch im Niedriglohnbereich wieder in Kraft: Derjenige, der arbeitet, bekommt spürbar mehr, als derjenige, der nicht arbeitet. Dafür bedarf es fairer und zugleich durchschaubarer Hinzuverdienstmöglichkeiten. Im Vergleich zum Arbeitslosengeld-II müssen diese zum einen zur Aktivierung von Arbeitslosen ausgeweitet und zum anderen verständlicher gestaltet werden.
Bei Aufnahme eines 400-Euro-Jobs verbleiben dem ALG-II-Empfänger lediglich 98 €. Wer fördern und fordern ernst meint, muß das Förderelement jedoch auch ausreichend betonen. Beim Bürgergeld werden die Hinzuverdienstmöglichkeiten neu gestaltet, insbesondere werden sie für die Bruttoeinkommensbereiche bis 600 € deutlich erhöht, da gerade der untere Einkommensbereich besonders geeignet ist, über Teilzeit den Weg aus der strukturellen Arbeitslosigkeit zu ebnen.
Verbleiben dem ALG-II-Empfänger nach Hinzurechnung der gesetzlichen Abgaben und pauschalen Abzugsbeträge von 600 € Bruttoeinkommen gerade einmal 138 €, so verbleiben dem Bürgergeldempfänger dagegen 285 €, d.h. nahezu die Hälfte seines Bruttoeinkommens. Beim Bürgergeld entsteht somit ein fairer und ausreichender Anreiz zur Arbeitsaufnahme. Insgesamt ist die Hinzuverdienstregelung beim Bürgergeld zudem so gestaltet, daß der Bürgergeldempfänger immer einen finanziellen Anreiz hat, nach höherem Einkommen zu streben.
Beim ALG-II bezieht sich der Freibetrag, der nicht auf das ALG-II angerechnet wird, auf ein so genanntes Zwischennetto. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten sind so erheblich geringer, als es zunächst den Anschein hat. Die letztendliche Höhe des ausgezahlten ALG II ist für den erwerbstätigen ALG II-Empfänger nur schwer nachzuvollziehen.
Das Bürgergeld legt hingegen Wert auf Transparenz und Verständlichkeit. Beim Bürgergeld bezieht sich deshalb der Freibetrag auf das Bruttoerwerbseinkommen. Im Einzelnen schlägt die FDP vor, daß folgende Prozentanteile des Bruttoerwerbseinkommens als Freibeträge nicht auf das Bürgergeld angerechnet werden:
bis 600 € Bruttoerwerbseinkommen: 40 % des Bruttoerwerbseinkommens, 600 – 1.200 € Bruttoerwerbseinkommen: 20 % des Bruttoerwerbs-einkommens, über 1.200 € Bruttoerwerbseinkommen: 10 % des Bruttoerwerbs-einkommens. Der Vergleich der Freibeträge von ALG II und Bürgergeld stellt sich wie folgt dar:
Bruttoerwerbs-einkommen | Freibetrag Arbeitslosengeld II | Freibetrag Bürgergeld | |
in % desNettoerwerbs-einkommens | in % des Bruttoerwerbs-einkommens | in % desBruttoerwerbs-einkommens | |
bis 100 € | 15 % | 53 %*) | 85 %*) |
100 bis 400 € | 15 % | 15 % | 40 % |
400 bis 600 € | 30 % | ca. 19 % | 40 % |
600 bis 900 € | 30 % | ca. 20 % | 20 % |
900 bis 1.200 € | 15 % | ca. 12 % | 20 % |
1.200 bis 1.500 € | 15 % | ca. 12 % | 10 % |
über 1.500 € | 0 % | 0 % | 10 % |
*) Beim Arbeitslosengeld II wird für sonstige zu berücksichtigende Kosten ein Pauschalbetrag von 45,33 € ge-währt. Da keine entsprechenden Kosten nachgewiesen werden müssen, wird dieser hier wie ein zusätzlicher Freibetrag gewertet. Auch beim Bürgergeld wird unterstellt, daß dieser Pauschalbetrag gewährt wird.
Durch die verbesserten Hinzuverdienstgrenzen wirkt das Bürgergeld auf Arbeitslose und Geringverdienende aktivierend, stärkt die Eigen-verantwortung und ist ein entscheidender Schritt zur Bekämpfung der Schwarzarbeit.
Ergänzend zu den Anreizen müssen die Sanktionsmechanismen konsequent angewendet werden, nicht zuletzt auch zum Schutze des Steuerzahlers vor Sozialleistungsmißbrauch. Deshalb wird die Pauschale für den Lebensunterhalt um bis zu 30 % gekürzt, wenn angebotene zumutbare Arbeit abgelehnt wird. Eine weitere Ablehnung zieht die gleiche Rechtsfolge nach sich, so daß die tatsächliche Kürzung bei Arbeitsverweigerung erheblich höher liegen kann.
Durch das Bürgergeld wird die Nachfrage Arbeitsloser und das Angebot der Unternehmen an Arbeitsplätzen im Niedriglohnbereich gesteigert: Aus Sicht des Arbeitnehmers wird ein für ihn nicht existenzsichernder Lohn durch das Bürgergeld ergänzt und somit attraktiv. Arbeitgeber werden – die notwendige Lohnöffnung der Tarife vorausgesetzt - vermehrt Arbeit für nicht oder gering qualifizierte Bürgergeldempfänger anbieten, deren Arbeitskraft eine nicht existenzsichernde Wertschöpfung hat.
Die Gefahr bloßer arbeitgeberseitiger Mitnahmeeffekte wird systemimmanent aufgefangen, da anders als bei Lohnkostenzuschüssen der arbeitende Empfänger des Bürgergeldes durch die Hinzuverdienst-systematik stets ein Interesse hat, einen höheren Lohn zu erreichen. Bei steigendem Lohn erhöht sich sein verfügbares Einkommen und es sinkt das auszuzahlende Bürgergeld. Das Bürgergeld ist damit kein Modell einer auf Dauer angelegten Subvention, sondern ein marktorientiertes An-reizmodell für mehr Arbeit und Wohlstand.
Das Bürgergeld ist bürgernah
Die Betreuung der Bürgergeldempfänger erfolgt dort, wo der notwendige persönliche Kontakt gewährleistet werden kann: auf kommunaler Ebene.
Dies gilt sowohl für die Betreuung der nichterwerbsfähigen Bürgergeldempfänger als auch zusätzlich für die Vermittlung arbeitsfähiger Bürgergeldempfänger. Ziel ist es, arbeitsfähigen Bürgergeldempfängern den Weg hin zu einer lohnenden Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt zu ebnen und dazu auch eine eventuell notwendige psychosoziale Betreuung sowie Wohnungs- und Kinderbetreuungsfragen miteinzubeziehen. Insbesondere für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte ist es wichtig, daß die vermittelnde Stelle die größtmögliche Nähe zu den Arbeitslosen und den örtlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes hat. Die kommunale Ebene kann darüber hinaus zur Unterstützung ihrer überregionalen und internationalen Arbeits- und Ausbildungsvermittlung auf eine von einer Arbeitsmarktagentur bereit zu stellenden Internetdatenbank zurückgreifen. Dies gewährleistet eine optimale fallbezogene Ver-mittlungstätigkeit.Das Bürgergeld muß mit der Einkommensteuer verknüpft werden
Gegenwärtig bewegt der Fiskus einen gewaltigen Umverteilungsapparat mit geringem Wirkungsgrad. Nur knapp 3 Prozent aller Erwerbstätigenhaushalte profitieren unter dem Strich von den Transferleistungen, alle anderen zahlen mehr, als sie erhalten. Also finanzieren 97 Prozent der Erwerbstätigenhaushalte ihre eigenen Transferleistungen.
Wo immer möglich soll die einkommensabhängige Umverteilung in den Sozialsyste-men in das Steuersystem überführt werden. Zudem sollen die Pauschalen und die Bemessungsgrundlagen im Zuge der schrittweisen Einführung des verbundenen Steuer-Transfersystems harmonisiert und die unterschiedlichen Einkommensbegriffe vereinheitlicht werden. Die Veranlagung zum Bürgergeld erfolgt, sofern es sich nicht um eine allein lebende Person handelt, jeweils für die Bedarfsgemeinschaft.
Durch die Verrechnung der steuerfinanzierten Sozialleistungen mit der Steuer wird die Umverteilung auf ein Minimum reduziert und zugleich die notwendige Einfachheit, Transparenz, Treffsicherheit, Gerechtigkeit, Rechtssicherheit und der notwendige Bürokratieabbau im Sozialsystem erreicht. Mehrfache Antragstellung und Doppelarbeit in der Verwaltung werden vermieden, dem Leistungsmißbrauch wird wirksam begegnet und zudem wird sichergestellt, daß ein Bürgergeldempfänger das Bürgergeld auch in der ihm zustehenden Höhe erhält.
Um die Verknüpfung von Lohnsteuer und Bürgergeld zu ermöglichen, erfolgt bei denjenigen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die Auszahlung des Bürgergeldes durch den Arbeitgeber. Dazu wird auf Antrag eines Berechtigten die Höhe des Bürgergeldanspruchs seiner Bedarfsgemeinschaft und die Höhe der Kindergeldes als Teilbetrag des Bürgergeldanspruchs von seiner Gemeinde rechtsverbindlich für den Arbeitgeber auf der Lohnsteuerkarte eingetragen bzw. bei einem EDV-gestützten Verfahren zusammen mit den anderen Lohnsteuerdaten dem Arbeitgeber mitgeteilt. Der Arbeitgeber kann so aus den ihm vorliegenden Daten einfach berechnen, ob und in welcher Höhe Bürgergeld auszuzahlen ist. Über seine Lohnabrechnung erhält der Arbeitnehmer seinen Nettolohn und das auszuzahlende Bürgergeld. Auf diese Weise werden Steuern und Bürgergeld miteinander verrechnet. Soweit das auszuzahlende Bürgergeld höher ist als die zu entrichtende Lohnsteuer, ergibt sich so praktisch eine negative Einkommensteuer.
Bei Bürgergeldempfängern, die nicht erwerbstätig sind, erfolgt die Auszahlung des Bürgergeldes über die zuständige kommunale Einrichtung.
Das Bürgergeld ist ein wichtiger Beitrag zum BürokratieabbauDerzeit existieren viele Anlaufstellen für eine Vielzahl von Sozialleistungen. Die Unterstützungsbedürftigkeit wird nicht einheitlich von einer Stelle geprüft, sondern mehr-fach. Allein für die Abwicklung des Kindergeldes sind 16.180 Familienkassen zuständig. Hinzu kommen Sozialämter, Wohngeldstellen, die Job-Center der Arbeitsagentur oder auch die Ämter für Ausbildungsförderung. Der Informationsaustausch und die erforderliche Abstimmung zwischen den Behörden finden nur mit kostspieligen Informationsverlusten statt und sind fehleranfällig. Sowohl die Politik als auch die Verwaltungen haben den Überblick verloren. Es entstehen hohe Kosten, Steuergelder werden verschwendet.
Das Bürgergeld hingegen setzt neue Maßstäbe bei Transparenz und beim Bürokratieabbau: Die Bedürftigkeit wird nur noch einmalig erhoben, steuerfinanzierte Sozialleistungen werden im Finanzamt gebündelt und verrechnet. Die damit einhergehende Effizienzsteigerung führt zur Kostenreduktion auf der einen und zu Transparenz auf der anderen Seite. Bürger, die Anspruch auf Transferleistungen des Staates haben, haben nur noch einen Ansprechpartner.
Wie bereits bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe führt auch die Einführung des Bürgergeldes zu einer Veränderung der Finanzströme zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Statt das bestehende System weiter zu verkomplizieren, sollte im Gleichklang mit der schrittweisen Umsetzung des Liberalen Bürgergeldes die dringend notwendige grundlegende Reform der Finanzverfassung mit dem Ziel angegangen werden, diese auf eine tragfähige, systematische Grundlage zu stellen.
Das Bürgergeld ist ein wichtiger Beitrag zum Datenschutz
Bei der Einführung des Bürgergelds kommt dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung eine herausragende Bedeutung zu: Bisher werden einkommens- und vermögensbezogene Daten von einer Vielzahl unterschiedlicher Stellen erhoben, um den Anspruch für die verschiedenen Sozialleistungen zu ermitteln. Im Zeitalter der Informationstechnologie ist die Neigung des Staates groß, ein paralleles, umfassendes Kontrollsystem aufzubauen, welches die personenbezogenen Daten ohne Wissen des Bürgers zusammenführt und abgleicht, um damit vermeintlich Mißbrauch einzudämmen. Diese Tendenzen stoßen auf den entschiedenen Widerstand der FDP. So muß als erster Schritt die faktische Abschaffung des Bankgeheimnisses in vollem Umfang rückgängig gemacht werden. Durch die Einführung einer Zinsabgeltungssteuer werden automatisierte Kontenabfragen der Finanzbehörden und Kontrollmitteilungen überflüssig. Dem Bürger muß zudem ein genereller Auskunftsanspruch gegenüber den zuständigen Behörden eingeräumt werden.
Beim Bürgergeld sind dem Bürger aufgrund des standardisierten Erhebungsverfahrens seine behördlich vorliegenden Daten bekannt. Diese Transparenz führt zum einen zu mehr Rechtssicherheit und zum anderen zu einer deutlich erhöhten persönlichen Kontrollmöglichkeit über die Verwendung der personenbezogenen Daten. Die Menge der personenbezogenen Daten wird insgesamt durch die angestrebten Pauschalierungen und den Wegfall von Ausnahme-regelungen im Steuer- und Sozialsystem erheblich sinken. Gleiches wird durch die Einführung der Quellenbesteue-rung bei Kapitaleinkünften erreicht. Die FDP zielt mit ihren Reformvorschlägen insgesamt darauf ab, die Menge der personenbezogenen Daten zu verringern.
Diejenigen, die Bürgergeld in Anspruch nehmen, müssen im Rahmen einer Bedürftigkeitsprüfung, ähnlich wie derzeit beim Arbeitslosengeld II, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen legen. Mit der Finanzamtslösung entfällt allerdings die bisherige Abstimmung der Daten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und dem Finanzamt. Die arbeitsvermittelnde Stelle erhält dann lediglich noch Zugriff auf die für die Vermittlung erforderlichen Daten. Die Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen, die eine sehr individuelle Bemessung der Leistung erfordert, wird nicht in das Bürgergeld integriert. Die Prüfung der Bedürftigkeit in besonderen Lebenslagen obliegt damit auch in Zukunft der Kommune, ohne daß das Finanzamt oder eine andere Behörde auf diese speziellen persönlichen Daten Zugriff hat.
Um mißbräuchlichen Zugriff auf personenbezogene Daten zu vermeiden, bedürfen diese eines besonderen Schutzes. Das gegenwärtige System macht es erforderlich, Datensätze von ein und derselben Person in einer Vielzahl von Behörden zu schützen. Im Finanzamt einmalig erhoben, unterliegen sie einem wesentlich höheren Sicherheitsstandard.
Darüber hinaus bedarf es des besonderen rechtlichen Schutzes der Daten gegenüber Dritten. So wird das Bürgergeld innerhalb des Finanzamtes nach strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben administriert: Durch eine strikte Zweckbindungsregelung muß sichergestellt werden, daß personenbezogene Daten ausschließlich für die Ermittlung der Höhe des Bürgergelds verwendet werden dürfen. Zudem ist es erforderlich, die Daten durch ein strenges Zugangsberechtigungssystem zu schützen. Verstöße sind wenigstens mit empfindlichen Geldstrafen zu ahnden.
Das Liberale Bürgergeld ist unverzichtbarer Bestandteil eines umfassenden Neustarts für mehr Wachstum und Beschäftigung
Die Einführung des Bürgergeldes ist ein wichtiger Teil der notwendigen umfassenden Reformen. Es führt nur dann zu dem gewünschten Abbau von Arbeitslosigkeit, wenn es durch weitere Reformen für mehr Wachstum und Beschäftigung ergänzt wird:
- Flexibilisierung des Tarifrechts und Öffnung der Tarife nach unten, damit Arbeit mit geringer Wertschöpfung wieder nachgefragt wird.- Erweiterung des Günstigkeitsprinzips und Abschaffung der Allgemeinverbindlichkeit von Flächentarifverträgen.
- Betriebliche Bündnisse dürfen nicht die Ausnahme bleiben, sondern müssen zur Regel werden.
- Reform des Kündigungsschutzes, damit dieser nicht mehr zu einem Einstellungshindernis wird und Arbeitsgerichtsprozesse vermindert werden.
- Anhebung der Grenze der 400-Euro-Jobs auf 600 Euro als flexibles Arbeitsmarktinstrument und Chance gerade für Langzeitarbeitslose oder Erziehende zum Wiedereinstieg auf den ersten Arbeitsmarkt.
- Schnellstmögliche Umsetzung einer effizienten, kommunalen und bürgernahen Arbeitsvermittlung und Betreuung.
- Senkung der Lohnnebenkosten durch Abkopplung des Beitrags zur Pflege- und Krankenversicherung vom Lohn und nachhaltige Strukturreformen in allen sozialen Sicherungssystemen.
- Umsetzung des liberalen Gesundheitsmodells: Privater Krankenversiche-rungsschutz mit sozialer Absicherung für alle, zielgenau, unbürokratisch und familiengerecht.
- Einführung eines einfachen, niedrigen und gerechten Einkommensteuersystems verbunden mit einer deutlichen Tarifsenkung und einem zeitgleichen konsequenten Subventionsabbau und zudem eine Unternehmenssteuerreform, die die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gewährleistet.
Das liberale Bürgergeld ist von zentraler Bedeutung, um Deutschland endlich wieder auf einen höheren Wachstumspfad zu führen – für mehr Wohlstand für alle.
Der Beschluss zum Download. (PDF, 110 KB)
Zum Abschluss noch ein Beitrag eines Bloggers zu diesem Thema:
http://limited.blog.de/2009/03/27/neoliberalen-motivation-bedingungsloses-grundeinkommen-5844553/
Zur neoliberalen Motivation für ein bedingungsloses Grundeinkommen
@ 2009-03-27 – 22:52:02
Von den gegenwärtig diskutierten Vorschlägen für ein Grundeinkommen lassen sich drei Modelle eindeutig dem neoliberalen Diskurs zuordnen.
Dies sind das Grundeinkommensmodell des Unternehmers Götz W. Werner, das Liberale Bürgergeld der FDP sowie das bedingungslose Grundeinkommen von Ingrid Hohenleitner und Thomas Straubhaar vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut(HWWI).
Während das Liberale Bürgergeld als bedürftigkeitsgeprüfte Negative Einkommensteuer konzipiert ist, handelt es sich bei den beiden anderen Vorschlägen um ein allgemeines und bedingungsloses Grundeinkommen Die vorgestellten neoliberalen Grundeinkommensmodelle
ähneln sich stark in ihrer Rhetorik.
Bei allen ist die Frage weniger, wie soziale Absicherung in Zeiten von Globalisierung und fl exibilisierten Ökonomien gehandhabt werden kann, sondern umgekehrt vor allem, wie die Flexibilisierung von (Arbeits-) Märkten weitestgehend vorangetrieben werden kann, ohne dabei eine allzu starke gesellschaftliche Destabilisierung zu riskieren.
Dies mag zunächst eine rein rhetorische Unterscheidung sein, sie verdeutlicht aber – wie vor allem auch in Gegenüberstellung zu sozialliberalen Vorschlägen deutlich wird – dass der Ausgangspunkt der Forderung ein grundlegend unterschiedlicher ist. So äußert sich Götz Werner in einem Interview des stern folgendermaßen: „Der Mensch lernt immer aus zwei Gründen: durch Einsicht oder nach Katastrophen. Und wenn wir nicht wollen, dass bei uns Dinge passieren wie gerade in Frankreich, erst die Explosion der Vorstädte, nun der Aufruhr der Studenten, müssen wir über das Grundeinkommen nachdenken“
Mit anderen Worten: das Grundeinkommen in seiner neoliberalen Ausprägung dient nicht in erster Linie einer gerechten Gesellschaft, sondern der Wahrung einer Gesellschaft, welche das ökonomische System nicht in Frage stellt. Im Mittelpunkt steht also die Anpassung der Gesellschaft an den Markt – und eben nicht ein neuer Kompromiss zwischen Markt und Gesellschaft; dies ist der wesentliche Unterschied zu sozialliberalen Ansätzen, wie wir später sehen werden.
Überhaupt taucht der Begriff der Gerechtigkeit hier lediglich als Marktgerechtigkeit auf. Zwar bezeichnet zum Beispiel die FDP ihr Liberales Bürgergeld als „aktivierend, transparent und gerecht“ (KoBüNE 2005), will damit jedoch vor allem ausschließen, „dass staatliche Hilfen zu Unrecht mehrfach in Anspruch genommen werden können“ (KoBüNE 2005: 4).
Ähnlich wird bei Hohenleitner/Straubhaar argumentiert. Ein intensives Lesen der Positionen und Vorschläge der hier vorgestellten Akteure lässt zudem ermuten, dass die Forderung eines Grundeinkommens von Unternehmerseite – und dies wird ja regelmäßig als das eigentlich Neue an der aktuellen Debatte charakterisiert – neben der konkreten Verknüpfung mit Deregulierungs- und Lohnsenkungsmaßnahmen einen weiteren strategischen Aspekt besitzt: die Wiedererlangung „diskursiver Hegemonie“ im Anschluss an die in jüngster Zeit zunehmenden Debatten über die fatalen Auswirkungen eines entfesselten Kapitalismus oder auch über die ‚neuen Unterschichten‘.
Die Grundeinkommensdebatte erscheint hier eben auch als geeignete Plattform, eigene Positionen im Rahmen einer Debatte zu stärken, welche der Sozialfeindlichkeit unverdächtig ist.
Banal formuliert, wird der Bürger weniger als Opfer der zunehmenden Ökonomisierung der Gesellschaft, sondern als Opfer staatlicher Ungerechtigkeiten charakterisiert. Götz Werner zufolge etwa „ist es fatal, dass wir ein Steuersystem haben, das sagt: Je mehr du durch deine Leistung beiträgst, desto mehr Steuern musst du bezahlen, und zwar progressiv. Unterm Strich bedeutet das: Wer den Willen hat, mehr für die Gemeinschaft beizutragen, der wird eingebremst“
Vorsicht ist allerdings geboten. Denn es ist keineswegs so, dass das hier skizzierte neoliberale Grundeinkommensmodell durchgängig von Seiten der Wirtschaft getragen wird. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände etwa äußert sich sehr zurückhaltend zur Idee eines Grundeinkommens, und ihre Kritik bezieht sich nicht etwa auf das von der LINKEN vorgeschlagene Modell, sondern konkret auf die Vorschläge von Ingrid Hohenleitner und Thomas Straubhaar.
Dem BDA zufolge ist mit dem Grundeinkommen ein grundsätzliches Problem verbunden: „Entweder es hat negative Konsequenzen auf Wachstum und Beschäftigung, weil die gesamtwirtschaftliche Abgabenlast und insbesondere die Grenzbelastung der Einkommen deutlich steigt, oder aber es ist so niedrig bemessen, dass ein sozio-kulturelles Existenzminimum nicht mehr erreicht wird“.
Bezogen auf das Modell von Hohenleitner/Straubhaar bedeutet dies konkret: „Das Grundeinkommen-Konzept ist nicht in der Lage, das sozio-kulturelle Existenzminimum zu sichern“. Deutlich wird also hier zumindest, dass unterschiedliche Interessen nicht pauschal bestimmten gesellschaftlichen Akteuren zugeordnet werden sollten.
Dies führt allerdings zu einer weiteren Überlegung: Stellt man die Frage, wem denn ein konkretes Grundeinkommensmodell in erster Linie nützt, so ist ‚die Wirtschaft‘ weit davon entfernt, einen homogenen Akteur zu repräsentieren. Man könnte etwa spekulieren, dass ein steuerfinanzierter Sozialstaat, vor allem wenn er diese Steuern von den Lohnkosten entkoppelt, zum Beispiel die Position multinational tätiger Unternehmen relativ zur Position national oder regional gebundener Unternehmen stärkt, da erstere in der Regel geringere Schwierigkeiten haben, bestimmte Steuern dort zu zahlen, wo diese am niedrigsten sind.
Dementsprechend könnte die Abgabenlast transnationaler Unternehmen durch ein Grundeinkommen potenziell gesenkt werden, während vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sich letztlich die Abgaben lediglich von den Lohnkosten entkoppeln, dafür aber an anderer Stelle anfallen.
Zu erwähnen ist schließlich noch, dass sich das Grundeinkommensmodell von Götz Werner in einem zentralen Punkt vom neoliberalen Idealtyp abhebt. Wenn Werner ein allgemeines, bedingungsloses Grundeinkommen von bis zu 1.500 Euro im Monat fordert, hätte dies sicher nicht die von FDP und HWWI erwünschten positiven Anreizeffekte zur Arbeitsaufnahme. Werner kokettiert insgesamt weniger mit dem Anreizproblem als vielmehr mit der Frage, wie bei ausreichender Absicherung von Beschäftigten und Erwerbslosen die Belastung für die Unternehmen gesenkt werden kann.
Bei allen Vorschlägen steht das Motiv von Lohnsenkungen und Deregulierung im Mittelpunkt.
Während bei der FDP wie auch bei Hohenleitner/Straubhaar das Projekt eines Niedriglohnsektors vor allem durch die Verschärfung des faktischen Arbeitszwangs auch zu schlechten Bedingungen erreicht werden soll, spekuliert Götz Werner auf durchgehende Lohnsenkungseffekte in allen Branchen, da die sinkenden Löhne durch das Grundeinkommen kompensiert werden können.
Das Grundeinkommen liefert hier somit nicht den Zwang zu niedrig entlohnten Tätigkeiten, sondern bietet umgekehrt die Rechtfertigung dafür. Allerdings versteht sich Götz Werner insgesamt auch stärker als Vordenker eines breiten gesellschaftlichen Diskurses und liefert – im Unterschied zu allen anderen Modellen – keine konkreten Finanzierungsvorschläge. Die genannte Höhe von bis zu 1.500 Euro sollte dementsprechend wohl eher dem allgemeinen ‚Aufhorchen‘ die - nen als dass sie einen konkreten Umsetzungsvorschlag bezeichnet.
Alles in allem lässt sich aber der neoliberale Diskurs als ein relativ homogener bezeichnen. Zielsetzungen und Inhalte decken sich weit gehend mit denen der Agenda2010-Reformen, werden aber teils noch radikalisiert, so etwa, wenn das Grundeinkommen als Rechtfertigung für Abschaffung sämtlicher sozialpolitisch motivierter Regulierungen oder auch für die weitreichende Einschränkung bzw. teilweise Abschaffung tarifvertraglicher Rechte herangezogen wird.
Gleichsam dient die rhetorische Abgrenzung zu Hartz IV als Ausgangspunkt der Forderungen und stellt somit das verbindende Element zu einer gesellschaftlichen Debatte her, die sich stärker gegen die Entfesselung von Marktkräften richtet als deren mangelnde Effizienz bemängelt. Insgesamt decken sich die einzelnen Aspekte der Vorschläge überraschend genau mit den in der idealtypischen Kategorisierung entworfenen Szenarien.
Sowohl was die jeweiligen Ausgangspunkte bzw. das Leitmotiv betrifft (Verbesserung der Anreizstruktur zur Arbeitsaufnahme), die konkret formulierten Zielsetzungen und Interessen (Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes, Schaffung eines Niedriglohnsektors bzw. generelle Lohnsenkungseffekte), die nicht oder kaum existenzsichernde Höhe des Grundeinkommens (mit Ausnahme der eher als langfristige Utopie formulierten Vorstellungen von Götz Werner) als auch das Verhältnis zu bisherigen Sozialleistungen (uneingeschränkte Abschaffung mit Ausnahme der Krankenversicherung), stimmen die Vorschläge weitgehend überein und decken sich darüber hinaus praktisch eins zu eins mit dem entworfenen Idealtyp.
Mit einer Ausnahme: Die für den Idealtyp angenommene Fortführung oder zumindest kapitalstockorientierte Reform der Rentenversicherung wird von keinem der Akteure mehr ins Auge gefasst. Stattdessen wird davon ausgegangen, dass ein Grundeinkommen inkl. eventueller Nothilfen in besonderen Lebenslagen die Rentenversicherung uneingeschränkt ersetzen kann.
Quelle: FES - Das Grundeinkommen in der deutschen Debatte: Leitbilder, Motive und Interessen. Björn Wagner, FES 2009
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