Donnerstag, 13. August 2009

Selbstbeweihräucherung und Wählerverarsche


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CDU-Wahlkampf Slogan: „Wir haben die Kraft“

Verantwortlich: Wolfgang Lieb | Druckversion | Beitrag versenden | <>

Wer selbst Wahlkämpfe mitgestaltet hat, weiß, dass die Auswahl eines Wahlkampf-Slogans mit zu den wichtigsten Entscheidungen der Wahlstrategen gehört. Darüber wird lange nachgedacht und die Entscheidung wird auf höchster Ebene getroffen. Es lohnt sich also einige Gedanken darüber zu verlieren, was sich die Erfinder des Slogans „Wir haben die Kraft“ dabei gedacht haben, welche Botschaft sie damit verbinden wollen, welche Assoziationen damit beim Empfänger der Botschaft ausgelöst werden sollen? Wolfgang Lieb

CDU - Wir haben die Kraft

Das „Wir“ in dem Slogan ist nicht etwa mit den Parteifarben der CDU unterlegt, sondern mit den Farben der Nationalflagge schwarz-rot-gold. Die Erfinder wollen damit sicherlich versuchen, das „Wir“ (der CDU) zugleich mit der gesamten „Nation“ zu assoziieren. Man vereinnahmt sozusagen die ganze Nation für sich. „Wir“ (die CDU) sind Deutschland!

Mit der bewussten Ambivalenz zwischen „Wir“ (die CDU) und dem „Wir“-Gefühl des Volkes versucht sich die Partei offenbar mit der Bevölkerung gemein zu machen. „Wir“ sind eine Gemeinschaft, in der es keine (anderen) Parteien mehr, keine Unterschiede zwischen Arm und Reich, zwischen Arbeiter und Unternehmer oder zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen mehr gibt.

Es ist das uralte Motiv der „Volksgemeinschaft“ mit dem die Herrschenden seit eh und je die Identität zwischen sich und den Beherrschten herzustellen versuchten. Schon Kaiser Wilhelm II. hat mit seinem Ausruf „Ich kenne keine Parteien mehr, kenne nur noch Deutsche“ das Volk in den Ersten Weltkrieg gelockt.

Kaiser Wilhelm

Quelle: www.dhm.de

Und auch die NS-Propaganda hat mit der „Volksgemeinschaft“ also der Gefühlsgemeinschaft eines Volkes, das keine Klassen- und Standesgegensätze mehr kennt und die NSDAP und das Volk in eins setzte, um damit dem Volk Geborgenheit, Gerechtigkeit und nationale Erneuerung einzureden.

Ganz im Gegensatz zu dieser Kumpanei zwischen Partei und Volk bezieht die CDU in ihrem Regierungsprogramm jedoch alles, was sie für erfolgreich erklärt, ausschließlich auf sich: Wir, Wir, Wir wird auf 60 Seiten Selbstbeweihräucherung betrieben: „Wir haben die Kraft“.

Warum heißt es nicht, wir haben die besseren Ideen, wir haben die besseren Konzepte, wir haben die bessere Kanzlerin oder wir haben das bessere Personal?
Warum heißt es: Wir haben die „Kraft“?

Laut Herkunfts-Wörterbuch bezeichnet Kraft im Deutschen (im nicht physikalischen Verständnis) einmal „eine körperliche oder geistige Voraussetzung zu bestimmten Handlungen“ und zum anderen die Ausübung einer Handlung („eine Kraft ausüben“, in „Kraft“ setzen).

Die CDU will also suggerieren, dass diese Partei die „Kraft“ hat zu regieren und zugleich die „Kraft“ hat, etwas durchzusetzen. „Kraft“ soll vom Empfänger der Botschaft wohl mit einer positiven Vorstellung verbunden werden. „Kraft“ steht für Durchsetzungsvermögen gegenüber anderen, im Leben, in der Wirtschaft, gegen alle Widerstände im Inneren wie im Äußeren. Es wird also einem „Kraft“-Kult gehuldigt, von dem man meint, dass er bei den Menschen auf Sympathie trifft.

In der Tat finden wir in unserer Gesellschaft viele Motive mit denen „Kraft“ konnotiert wird, von der „Manneskraft“ über „Frauenpower“ bis hin zu den „Krafträumen“ in den Fitnessstudios oder der „Motorkraft“ eines Autos. Das Stärkere siegt über das Schwächere, „Kraft“ ist Voraussetzung, um im Wettkampf zu siegen.

In der griechischen Mythologie wird „Kraft“ dem Gott Mars zugeordnet, der später im antiken Rom als Gott des Krieges galt. In Nietzsches Übermenschen gilt „Kraft“ als Willen zur Macht („Alle treibende Kraft ist der Wille zur Macht“, Nachgelassene Fragmente, 1888).

„Kraft“ übt eine Faszination auf Menschen aus, die positiv wirkt, wenn man sich mit der „Kraft“ bzw. der Macht identifiziert, die aber negativ empfunden wird, wenn „Kraft“ gegenüber einem selbst eingesetzt wird.

„Kraft“ kann also ambivalente Gefühle auslösen, je nachdem, ob man sich auf der Seite der „Kraft“ stehend fühlt oder ob man ihr ausgesetzt ist.

„Kraft“ muss immer ein Objekt finden, an dem sie sich zeigt oder auslässt. Die Grundfrage ist also, worauf richtet sich die „Kraft“ der CDU oder worauf ist sie ausgerichtet?

„Kraft“ steht für eine starke Regierung, die sich auch gegen ihre Bürger durchsetzen kann. „Kraft“ seht für Sicherheit, die sie gegen diejenigen garantiert, die diese vermeintlich oder tatsächlich gefährden. „Kraft“ steht für politische und militärische Durchsetzungsfähigkeit nach innen und nach außen. Oder: „Kraft“ steht für eine Volkswirtschaft, die andere Volkswirtschaften im Wettbewerb besiegen kann.

„Kraft“ soll all jenen Angst einflößen, die schwächer sind oder die sich ihr gar widersetzen wollen. „Kraft“ steht jedenfalls nicht für Partizipation oder demokratische Teilhabe.

Es gibt allerdings auch die „Kraftmeierei“, damit beschreibt man abwertend jemand, der mit Kraft protzt, die er gar nicht hat.
In diesem Sinne dürfte der CDU-Slogan zwar nicht gemeint sein, doch wenn man sich das Regierungsprogramm ansieht, dann protzt die Union mit Erfolgen, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.

Es ist ein alter Propaganda-Trick aus der eigenen Schwäche eine Stärke zu machen. Die CDU will und muss wohl vor „Kraft“ strotzen, um das Scheitern ihrer Politik, das in der Krise offen zu Tage liegt, zu überdecken.


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Wir sind Deutschland - Zum Regierungsprogramm von CDU/CSU

Verantwortlich: Wolfgang Lieb | Druckversion | Beitrag versenden | <>

Die Union malt eine Welt, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Die Krise wäre nie gekommen, wenn man nur auf CDU und CSU gehört hätte. Alles was unter der Führung der Kanzlerin getan wurde, war erfolgreich. Für alles was schlecht läuft, sind die anderen schuld. Mehr an Schönfärberei und Selbstbeweihräucherung geht kaum. Das Programm bietet jeder Wählergruppe ein Zückerchen. Die Union setzt im Wahlkampf auf plumpen Klientelpopulismus. Hinter hohlem Pathos steht ein schlichtes Weiter-so. Wolfgang Lieb

Wenn man das Regierungsprogramm der Union durchliest, dann muss man den Eindruck gewinnen, die Christdemokraten lebten in einer anderen Welt. Da wird über die größte Wirtschaftskrise geredet, als hätten wir schon längst hinter uns und als stünde der Aufschwung schon vor der Tür. „Alles in allem steht unser Land heute – 2009 – besser für die Zukunft gerüstet da als 2005.“

Und das natürlich alles dank der Union.
Es wird so getan, als wäre die letzte Legislaturperiode unter Kanzlerin Merkel eine reine Erfolgsgeschichte, die nur noch durch eine Wiederwahl getoppt werden könnte.
Man könnte meinen, als habe es vier Jahre eine Alleinregierung von CDU/CSU gegeben. Die Union rechnet sich alles zu, was sie für erfolgreich erklärt. Da ist dann der Koalitionspartner SPD für alles verantwortlich, was nicht so erfreulich ist.

Mit einem „Wir“ auf schwarz-rot-goldenen Grund begnügt man sich nicht mehr mit den Parteifarben, sondern vereinnahmt gleich die ganze Nation für sich.
Wir sind Deutschland!

Wir haben gezeigt, dass wir die Finanzen sanieren können.
Für die höchste Neuverschuldung in der Geschichte ist Finanzminister Steinbrück verantwortlich.

Wir haben gezeigt, dass wir die Zahl der Arbeitslosen reduzieren können.
Für den Anstieg der Arbeitslosigkeit auf (real) viereinhalb Millionen Menschen ohne Beschäftigung ist Arbeitsminister Scholz verantwortlich.

Wir haben gezeigt, dass wir Bildung und Forschung voranbringen können.
Mit dem Rückgang der Bildungsausgaben in der letzten Legislaturperiode haben die Union und ihre 12 Ministerpräsidenten nichts zu tun.

Wir haben die Kraft. Wir, Wir, Wir, so geht es auf über 60 Seiten Selbstbeweihräucherung weiter.

  • Nur das entschlossene Handeln der von… (der Union) geführten Bundesregierung hat im Herbst 2008 das Schlimmste verhindert.
    Die schlimme Lage wird einfach ausgeblendet. (Und sie kann sogar ausgeblendet werden, weil der Medienmainstream mitspielt. Man stelle sich nur einmal für einen kurzen Augenblick vor, welche Stimmung gemacht würde, wenn wir keine CDU-geführte Bundesregierung hätten.)
  • Neue Ausbildungsplätze bleiben auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten unser vorrangiges Ziel. Wir wollen den erfolgreichen Ausbildungspakt mit der Wirtschaft über 2010 hinaus fortführen.
    Der angeblich so erfolgreiche Ausbildungspakt, hat fast eine halbe Million Jugendliche in eine „Warteschleife“ gedrängt. Das duale System erodiert.
  • Wir haben gegen große Widerstände die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland verankert und damit Wohlstand und soziale Sicherheit ermöglicht.
    Haben nicht die Widerstände etwa der Gewerkschaften oder der Sozialverbände der Marktwirtschaft soziale Züge abgerungen und zwar meist gegen die Widerstände aus der CDU?
  • Der Krise und ihren Ursachen setzen CDU und CSU die Wertvorstellungen entgegen, für die wir immer eingetreten sind und eintreten werden.
    Die Krise hat also mit der Politik von CDU/ CSU nichts zu tun. Wenn nur alle wie die CDU gehandelt hätten, dann wäre die Katastrophe nicht passiert.

Wer hat denn aber noch im Leipziger Programm nach mehr Markt und weniger Staat gerufen? Sollte nicht der Markt die Welt regieren? Ist schon vergessen, dass noch vor kurzem die CDU die „Soziale Marktwirtschaft“ durch eine „Neuen Soziale Marktwirtschaft“ ablösen wollte, die dem „Markt mehr Freiheit“ geben wollte. Wer wollte denn immer noch mehr Deregulierung (auch der Finanzmärkte), noch mehr Privatisierung der sozialen Sicherungssysteme? Wer wollte die unsoziale Kopfpauschale und immer mehr Unternehmenssteuersenkungen und immer mehr Lohnsenkungen und wer pflegte den Mythos von den zu hohen „Lohnnebenkosten“? Siehe dazu CDU feiert ihr Grundsatzprogramm.

Ganz anders als noch vor der letzten Wahl, wo noch mit der Kopfpauschale oder der Steuer auf dem Bierdeckel neoliberaler Klartext geredet wurde, weil in Deutschland noch die „Strukturreformer“ Oberwasser hatten, tritt die Union diesmal mit der Maske des populistischen Biedermanns auf. (Aber populistisch sind ja immer nur die anderen.)

Ganz so als hätte man die eigenen Wählergruppen analysiert, sollen Rentner, die ein Leben lang Vollzeit beschäftigt waren, eine steuerfinanzierte Rente oberhalb des Existenzminimums erhalten, den wohlbestallten Familien wird ein höherer Kinderfreibetrag in Aussicht gestellt, es werden steuerfinanzierte versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung gefordert, Steuersenkungen von unten bis (vor allem) oben versprochen (Senkung des Eingangssteuersatzes, Milderung der „Kalten“ Progression, Abflachung des Mittelstandsbauchs, Verschiebung des Höchststeuersatzes), die gerade beschlossene Erbschaftssteuer soll einer Überprüfung unterzogen werden. Selbst für Hartz-IV-Empfänger soll es noch eine Wohltat geben: das Schonvermögen soll erhöht werden. Steuererhöhungen werden natürlich abgelehnt, eine höhere staatliche Belastung soll der Energiepreise solle es nicht geben.
Für jede Wählerklientel, gibt es ein wohldosiertes Zückerchen, von den Ärzten, den Apothekern, den Landwirten, den Mittelstand - je nach Wähleranteil. (Die Groß- und Finanzwirtschaft weiß ja ohnehin, was sie an der Union hat.)

Eine Sprachblüte wird neben die andere gesteckt:

  • Wohlstand und Klimaschutz wie auch Frieden in Freiheit sind immer die beiden Seiten einer Medaille.
  • Deutschland ist Integrationsland.
  • Modellregion für Elektromobilität.
  • Unser Land soll Bildungsrepublik werden.

Schon die Schönfärberei der Lage und die Lobpreisungen der zurückliegenden Politik müsste den unbefangenen Leser stutzig machen. Steht da nicht eine Kaiserin ohne Kleider da? Das Programm gaukelt ein Schlaraffenland vor, das so wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat, wie die Versprechungen, die dieses Programm enthält.

Weil die Wirklichkeit und das Motto „Wünsch Dir was“ so weit auseinanderklaffen, wie Wahrheit und Dichtung, kann man das Programm eigentlich nur als eine systematisch betriebene Irreführung bezeichnen. Es wird ein Wolkenkuckucksheim an schönen Zielen vorgespiegelt, ohne konkret und vor allem offen zu sagen, wie und vor allem auf wessen Kosten man diese erreichen will.

In hochstaplerischer Manier werden Widersprüche verkleistert:

  • Bildung darf keine Frage des Einkommens der Eltern sein. Aber kein Wort über die Studiengebühren. Nichts zum Widerspruch zwischen dem Festhalten am gegliederten Schulsystem und dessen sozialer Auslesewirkung.
  • Wir wollen endlich das Hochschulrahmengesetz abschaffen. Und, ohne über diesen Widerspruch zu stolpern, wird im nächsten Satz über die Notwendigkeit von nationalen Zielen geredet: Gleichzeitig wachsen die länderübergreifende Verantwortung und die Notwendigkeit, in zentralen Handlungsfeldern nationale Ziele und abgestimmte Maßnahmen von Bund und Ländern zu verabreden.
  • Wir begegnen den Sorgen vieler Menschen vor Abstieg und Überforderung, indem wir marktgerechte (!) Arbeitsplätze fördern statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
    Wer Vollzeit arbeitet, soll (!) in der Regel von seinem Einkommen leben können.

    Statt Mindestlohn, soll es ein Verbot sittenwidriger Löhne geben. Und: Die Mini-Jobs sollen erhalten bleiben.
  • Bekämpfung des Klimawandels durch Erschließung erneuerbarer Energien soll mit der Verlängerung der Restlaufzeit von Kernkraftwerken zusammenpassen, also der Erhalt der Großtechnologie, die nun geradezu ein Sinnbild der Blockade gegen erneuerbare Energien darstellt.

Großspuriges Pathos entpuppt sich als hohl, wenn man das Kleingedruckte liest:

  • Da wird von Mobilitätskultur schwadroniert und vor allem der Ausbau des Straßen- und Individualverkehrs und die Teilprivatisierung der Bahn gefordert.
  • Da wird von Deutschland als Integrationsland fabuliert, aber nur wer die Werte unserer Gesellschaft und Deutschland als seine Heimat annehmen will, wird seine Chance in unserem Land bekommen und ist uns herzlich willkommen.
  • Den Kindergartenbesuch wollen wir langfristig beitragsfrei ermöglichen. Aber: Voraussetzung ist eine solide und nachhaltige Finanzierung.

Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist geradezu ein Musterbeispiel für Tarnsprache:
Wir wollen Wege finden, wie alle Potenziale und Mittel der inneren und äußeren Sicherheit optimal genutzt werden können, um Bedrohungen wirksam ab zuwehren.

Wer das Programm liest, sollte vor allem danach fragen, was nicht drin steht, nämlich welche Konsequenzen die Union aus der Finanzkrise zieht, welche Wirtschaftspolitik sie machen will, um wieder aus der Krise herauszukommen, wer von den versprochenen Steuerentlastungen am meisten profitiert und wer die Opfer für die Milliarden für die Bankenrettung zu bringen hat.
Da hört man nur das alte Lied: Haushalt konsolidieren, Investitionen fördern sowie Bürgerinnen und Bürger entlasten, staatlich übernommenen Aufgaben auf ihre Notwendigkeit hin überprüfen, auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft setzen.

Um Deutschland aus der Krise „herauszuführen wollen wir, die Christlich Demokratische Union Deutschlands und die Christlich-Soziale Union, in der nächsten Legislaturperiode eine Regierung mit der Freien Demokratischen Partei bilden.“ Eine Koalition mit einer Partei, die bis heute, den Kurs feiert, der geradewegs in die Krise geführt hat.
Diesen Koalitionspartner brauchen CDU/CSU dringend, um nach der Wahl nicht an den Versprechen des Wahlprogramms gemessen werden zu können.




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