Donnerstag, 19. Februar 2009

Bananenrepublik Deutschland

http://www.wiwo.de/politik/mangelnde-transparenz-deutschland-nicht-besser-als-sri-lanka-387853/


Steuerausgaben Mangelnde Transparenz: Deutschland nicht besser als Sri Lanka

Schlechte Noten für die deutsche Haushaltspolitik: Wer als Bürger wissen will, was der Staat mit seinen Steuereinnahmen anstellt, wird in Deutschland nicht besser informiert als im Bürgerkriegsland Sri Lanka. Das ergab eine internationale Studie.


2900 Seiten bestes Juristendeutsch und Zahlenwerk – das kommt auf deutsche Steuerzahler zu, die sich den Haushalt der Bundesregierung genau ansehen wollen. Wahlweise dürfen es auch etwas weniger umfangreiche Monatsberichte, Finanzberichte und andere Dokumente vom Finanzministerium oder der Bundesbank sein.

Dass der deutsche Zahlendschungel nicht durchschaubar, einfach und schnell genug ist, zeigt ein Blick ins Ausland: Weit abgeschlagen hinter anderen westeuropäischen Ländern und den USA landet Deutschland mit 64 von 100 möglichen Punkten auf Rang 14 des „Open Budget Index 2008“ – gleichauf mit Sri Lanka und dicht gefolgt von Botswana.

Der Index listet 85 Länder anhand der Transparenz ihrer Haushaltspolitik auf und wurde von der in den USA ansässigen „Open Budget Initiative“ in Zusammenarbeit mit Forschungsinstituten in den untersuchten Ländern erstellt.

Stolpersteine für die Bürger

Das Gebaren der Bundesregierung hat das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstituts (FiFo) an der Universität zu Köln unter die Lupe genommen – und dessen Geschäftsführer Michael Thöne spart angesichts des ernüchternden Ergebnisses nicht mit Kritik.

„Es mag den deutschen Steuerzahler vielleicht beruhigen, dass die Budgettransparenz ganz leicht besser ist als in Kolumbien und Papua Neuguinea“, sagt Thöne. „Aber er sollte mehr erwarten – mindestens so viel wie die Bürger unserer engen Nachbarn und Partner auch bekommen.“

In Großbritannien beispielsweise – mit 88 von 100 Punkten Spitzenreiter im Index – erhalten Steuerzahler zusätzlich zum umfangreichen Haushalt eine Internetseite an die Hand gegeben, die die Staatsausgaben häppchenweise aufdröselt. Ein speziell für Bürger erstelltes Dokument mit dem Titel „Was das Budget für meine Region bedeutet“ hilft ebenfalls beim Verständnis des Zahlenwerks.

Vom Bundesfinanzministerium dagegen werden „dem mündigen Bürger Steine in den Weg gelegt“, beklagt Thöne. Gab es um die Jahrtausendwende den gesamten Bundeshaushalt noch als interaktive Excel-Tabellen zum herunterladen, die sich nachrechnen, zusammenfassen und vereinfachen ließen, werden jetzt nur noch PDF-Dateien veröffentlicht, mit denen das nicht mehr möglich ist. „Fünf Jahre später im digitalen Zeitalter“, merkt Thöne an.

Doch dem Bürger wird nicht nur durch die teils schwer verständlichen Dokumente die Meinungsbildung erschwert. Anders als beispielsweise in Großbritannien, Südafrika, Frankreich oder den Vereinigten Staaten veröffentlicht die Regierung in Deutschland auch keinen Ausblick auf das angestrebte Budget, auf dessen Ziele und auf die zu erwartende Wirtschaftsentwicklung.

„So ein Ausblick soll mindestens einen Monat vor dem ersten Haushaltsentwurf der Regierung erscheinen“, erklärt Vivek Ramkumar, Manager der Open Budget Initiative. Es solle eine öffentliche Diskussion über die Zusammensetzung des Budgets und die Wirkung auf die Wirtschaft angeregt werden. „Man darf schließlich nicht vergessen, dass der Haushalt das wichtigste Instrument der Wirtschaftspolitik ist, das einer Regierung zur Verfügung steht“, fügt Ramkumar hinzu.

Und dieses Instrument wird in Deutschland längst nicht so zeitgemäß eingesetzt, wie es sein sollte, meint FiFo-Geschäftsführer Michael Thöne. „Deutschland ist einer der letzten demokratischen Industriestaaten, in denen Reformen des Haushalts- und Rechnungswesens immer noch in den Kinderschuhen stecken“, sagt er. „Darum spiegelt der Bundeshaushalt immer noch eher preußische Beamtentugenden wider.“

Anstatt auf sinnvolle Verwendung der Steuergelder Wert zu legen und sich an Ergebnissen zu orientieren, liege der Fokus zu sehr auf der detaillierten Beschreibung der Ausgaben und ihrer Rechtmäßigkeit. Daher fordert Thöne für die Zukunft konkrete Rechenschaft darüber, ob und wie weit die gesetzten Ziele durch staatliche Ausgaben auch erreicht wurden. „Ein einfaches ‚besser’ oder ein qualitatives ,mehr’ reicht da nicht“, sagt er.

Auch niedrigerer Wohlstand kann mehr Transparenz bedeuten

Bei aller Kritik an der deutschen Budgettransparenz dürfe allerdings nicht vergessen werden, dass die Regierung ihren Bürgern trotz allem umfangreiche Informationen zur Verfügung stelle, die diese dazu einsetzen können, um Politiker zur Verantwortung zu ziehen, meint Vivek Ramkumar.

„Wirkliche Sorgen machen mir die Länder in der unteren Hälfte des Index, die ihre Bürger sehr wenig oder gar nicht informieren“, sagt er. Die Regierungen von armen Ländern wie Sudan, Ruanda oder der Demokratische Republik Kongo erhalten im Open Budget Index null Punkte und setzen ihren Bürgern – wenn überhaupt – den verabschiedeten Staatshaushalt vor. Öffentliche Debatte oder Einflussnahme findet hier nicht statt.

„Dieser Mangel an Transparenz bereitet der Verschwendung, unzweckmäßigen und korrupten Verwendung von Mitteln den Weg – und reduziert die Mittel, die zur Armutsbekämpfung dringend gebraucht werden“, kritisiert Ramkumar. Doch egal ob reiches oder armes Land, letztendlich komme es auf den politischen Willen zur Transparenz an.

Und der kann auch in Ländern mit verhältnismäßig niedrigem Pro-Kopf-Einkommen vorhanden sein: Südafrika, Brasilien, Slowenien, Polen, Peru und Tschechien – alles Länder, deren wirtschaftliche Wohlstand deutlich geringer ist als der Deutschlands – lassen die Bundesrepublik im Open Budget Index hinter sich.

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