Donnerstag, 26. Februar 2009

Schulden abbauen

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Überschuldung ist vom Kapital gewollt und hat System PDF Drucken E-Mail
von Norbert Nelte 26.02.2009 - bisherige Aufrufe: 104

schuldnerberatung.jpgDie Überschuldung der schwächsten Lohnabhängigen hat System und ist von den Herrschenden so gewollt. 1985, als ich Schuldnerberater bei der Arbeiterwohlfahrt in Celle war, betrug die Überschuldungsrate 10% der Bevölkerung. Korcac gibt sie 2001 mit 7% aller Haushalte an (Wikipedia).

Nachdem große Anstrengungen von den Sozialverbänden mit Schuldnerberatungsstelen und gesetzliche Initiativen mit dem persönlichen Insolvenzrecht unternommen wurden, hat sich an dieser Zahl immer noch nichts geändert, sie beträgt nach wie vor noch heute 10%. Im Gegenteil gibt es immer mehr Niedrig- und Billiglöhner und wenn im Sommer 2009 die Arbeitslosigkeit explodiert, wird auch die Überschuldung enorm steigen, besonders in der nachfolgenden Inflation. Für das Kapital ist das kein Unfall.

Die Banken suchen ja gerade jetzt nach dem Subprime-Desaster neue Verdienstmöglichkeiten und heißen jeden überschuldeten Konsumenten willkommen, der knapp an der Wucherzinsengrenze ihr Leben lang Zinsen zahlt, ohne jemals die eigentliche Schuld abzutragen. Tausende solcher Kunden zahlen schon mal das Gehalt vom Vorstand.

Hierfür wurde das Marktsegment "Konsumentenkredite" (Ebli) Ende der 1950er Jahre geschaffen und in den70er Jahre dann die Kreditkarte, die das leichtere Einkaufen und Schuldenmachen ermöglichte. In meinem Büro als Schuldnerberater zeigte mir ein Schuldner einen gerichtlichen Mahnbrief, in dem auch eine kleiner Faltanzeige von Quelle mit verführerischen bunten Bildern steckte. Die Kapitalisten nutzen es vollkommen aus, dass der weniger ausgebildete Arbeiter kaum ein Selbstbewusstsein entwickelt und das mit dem Fetisch Ware kompensiert. Damit machen sie ihren kalkulierten Protest noch schwieriger und die Schuldner von der Arbeitgeberseite und der Gläubigerseite noch abhängiger, es ist nun auch für das Kapital ganz praktisch wenn der Arbeiter streiken will, dann mit dem gerichtlichen Mahnbescheid zu winken, ihn also von beiden Seiten in den Zangengriff zu nehmen.

Als Schuldnerberaterin oder -berater hilft man zwar 50 Familien auch im Kapitalismus, in der gleichen Zeit treiben die Konzerne, Banken, Gerichte, Kaufhäuser und Versandgeschäfte aber wieder tausende Familien in die Überschuldung,

Wir veröffentlichen hier meinen Artikel über die Praxis der Schuldnerberatung. Er ist zwar von den Reformisten der Arbeiterwohlfahrt überarbeitet worden, aber es fehlt im Wesentlichen nur die obige Aussage. Darüber hinaus kann man feststellen, dass zumeist heute die meisten Sachearbeiter die Logik der Kapitalinteressen folgen und der ALG-Empfänger bei wichtigen Terminen immer mit Zeugen auftreten und sich seine Pflichtleistungen schriftlich bestätigen lassen sollte.

Mir wurde nach einem Vergleichsangebot an Gläubiger von der Rechtsanwaltkammer Celle eine Anklage wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsverbot für Nichtrechtsanwälte angedroht. Dieses Gesetz von 1934 stammt von den Nazis, die damit den von Berufsverboten sanktionierten jüdischen Rechtsanwälten, die Rechtsberatung dann anbieten wollten, auch dieses ihnen verboten wurde. Dieses Rechtsberatungsverbotsgesetz gibt es trotz SPD-Regierungen immer noch und damit werden heute die Schuldnerberater sanktioniert. Es ist also für Berater ratsam, dass sie mit linken Rechtsanwälten zusammen arbeiten, denn Schuldnerberatung ohne Rechtsberatung geht nicht, schon die Insolvenz geht ja nicht ohne Insolvenzverordnung. Jede Arbeitslosenberatung ist praktisch eine Rechtsberatung.

Das neue Insolvenzrecht fehlt natürlich ganz. Der Schuldner kann nicht mehr selbständig einen Vergleich erwarten, sondern muss eine offizielle Schuldnerberatungsstelle aufsuchen, die dann bestimmte Regeln vorschreibt, z.B. dass man 7 Jahre lang die Raten abbezahlen muss, bevor der Schuldner nach dem Insolvenzrecht den Rest erlassen bekommt. Nur weiß ich nach der neuesten Entwicklung des Finanzmarktes auch nicht mehr, ob es dann den Kapitalismus und die Gläubiger überhaupt noch gibt.

Ansonsten kann der Aufsatz einerseits für Berater z.B. in Arbeitslosengruppen, aber auch für die Betroffen recht hilfreich sein.

Praxis der Schuldnerberatung, 1986

Der Sozialabbau und seine Folgen

In den letzten Jahren hat sich die Einkommensverteilung in der BRD wesentlich verändert. Von 1979 - 1984 stiegen die Nettolöhne der Arbeitnehmer nur um 14%, die Nettoeinkommen aus Unternehmertätigkeit dagegen um34%, während die Preise um 25% anzogen. Allein 1983 fiel das Auseinanderdriften der Einkommen noch krasser aus: Während die Nettogewinne preisbereinigt um 9,5% stiegen, sanken die Nettolöhne dagegen um 0,6%, nach Angaben der Bundesregierung von 80-84 um 5,7%. Somit wird auch ein immer größerer Kreis von Arbeitnehmern hilfebedürftig. Untertariflöhne, Kürzungen der Sonderzahlungen, Kurzarbeit, beruflicher Abstieg und der Überstundenabbau tragen mit zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten bei. Der Lohndruck durch die Arbeitslosigkeit reicht bis zur Gratisarbeit. In unserer Beratungsstelle in Celle häufen sich Berichte über unvergütete Probezeitarbeit, vorenthaltene Löhne aus mündlichen Arbeitsverträgen oder nicht ausgezahlte Löhne bei kalten Konkursen; alles sicher auch bundesweite Probleme.

So sind von den 22 Langzeitbetreuten der Celler Schuldnerberatung 12 Erwerbstätige (also 55%). Ähnlich ist es auch bei den Kurzberatenen. Diese Relation will keine Allgemeingültigkeit erheben, zeigt aber doch die allgemeine Schichtenstruktur der Überschuldeten auf. Ca. 300 Schuldner wurden insgesamt bisher beraten.

Das Resultat jahrelanger Kaufkraftverluste der Arbeitnehmer, z. B. durch überdurchschnittlich steigende Mieten und Mietnebenkosten ist die ständig steigende Verschuldung und Abhängigkeit von Kreditgebern. Noch auswegloser stellt sich die Überschuldung bei den von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe abhängig gewordenen Kollegen dar, die ihre Ratenverpflichtungen noch während ihrer Beschäftigungszeit mit höherem Einkommen und seinerzeit erfüllbaren Kreditverpflichtungen eingegangen sind. Aggressive Kreditwerbung und verlockende Ratenzahlungsangebote der Versandhäuser treiben die Schuldenspirale weiter hoch. Die Konsumentenschulden betragen bei 48% aller Haushalte in der BRD durchschnittlich bei 12.000 DM. 41% aller PKW und 30% aller Möbel werden auf Kreditbasis gekauft[1]. Viele Konsumenten und Kreditnehmer sind mit Kalkulationen, die ihre Haushaltsführung und die Tilgung sicherstellen sollen, schlichtweg überfordert.

Anforderungen an Schuldnerberatung

Qualifizierte Entschuldungshilfe wird in den Wohlfahrtsorganisationen immer wichtiger. Für diese Aufgabe, die bisher die Familien-, Resozialisierungs-, Arbeitslosenberatung und andere nebenher geleistet hatten, müssen mehr und mehr Fachkräfte auf Planstellen eingerichtet werden. Laut dem Kasseler Schuldner- und Verbraucherschutz[1] bestanden im Sommer 86 in der BRD bereits 80 spezielle Schuldnerberatungsstellen, davon 12 der Arbeiterwohlfahrt.

Schuldnerberatung sollte möglichst umfassend betrieben werden. Sie muß die Einnahmen-, Ausgabenseite und Entschuldungsstrategie der Ratsuchenden untersuchen. Das bedeutet, daß der Berater sich in Rentenversicherung, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld und -hilfe, Lohnsteuer, Kindergeld, Wohngeld, Mietrecht, bei Kauf- und Krediverträgen auskennen muß. Er muß Tipps für Einsparungen im Haushalt geben, Verhandlungsgeschick mit den Banken beweisen, sich über bestehende Hilfefonds und andere Hilfsprogramme informieren und er wird nicht zuletzt mit den psychosozialen Problemen seiner Klienten konfrontiert. Da all diese Aufgaben kaum in einer Person zu realisieren sind, bemühen sich die Schuldnerberatungsstellen zunehmend um Arbeitsteilung, arbeiten als Teil gutbesetzter Sozialberatungsstellen oder vermitteln zu Spezialberatungsstellen. Dringend anzuraten ist, bei Rechtsfragen, die weit mehr Spezialkenntnisse als das »Allgemeinwissen« des Beraters verlangen, an einen Rechtsanwalt zu verweisen. Falsche Beratung kann hier für den Ratsuchenden sowie für den Berater zu verheerenden Folgen führen. Natürlich ist auch wegen der unerlaubten Rechtsbesorgung nach dem Rechtsberatungsgesetz für die Schuldnerberatungsstellen der freien Wohlfahrtspflege oft eine Weiterverweisung an einen Rechtsanwalt unumgänglich.

Erfahrungen der AW-Schuldnerberatungsstelle

Der Ratsuchende findet den Weg zur Beratung anläßlich eines akuten Problemes wie drohende Zwangsräumung, Haushaltsenergieabstellung, Kontoüberziehungen, Lohnpfändungen mit drohendem Arbeitsplatzverlust usw. Es ist daher auch vorteilhaft, daß eine Schuldnerberatungsstelle durch gezielte Informationen per Handzettel oder Zeitungsartikel auf sich aufmerksam macht, um den Schuldnern ihre Schwellenangst zu nehmen, damit diese schon zur Beratung kommen, bevor fast alles zu spät ist. Andernfalls werden Löcher gestopft und neue aufgerissen, der Bank werden Ratenzahlungen oder dem Vermieter Mietschuldenabtragungen zugesagt, die gar nicht eingehalten werden können. Es entstehen neue Mahnkosten, und oft glaubt der Schuldner, seinen Verpflichtungen nur nachkommen zu können, indem er Hungertage einlegt. Das Ende sind dann die Nichteinhaltung existenzieller Kostenverpflichtungen für Miete, Strom usw. und totale Zusammenbrüche.

Als erstes muß daher nach der ersten Krisenintervention ein individueller »Haushaltsplan« erstellt werden mit Einnahmen, Ausgaben und Überschuß für die Schuldentilgung. Dabei wird der Ist-zustand festgehalten und zusammen mit dem Schuldner ein Finanzierungs-Plan entworfen.


Die Einnahmen des Schuldners

Die Einnahmen müssen bei Schwankungen über einen längeren Zeitraum festgestellt werden. Dabei stellen sich in der Realisierung immer wieder Schwierigkeiten heraus. Das Wohngeld wird zu spät genehmigt, Kindergeld wurde auf das alte Konto überwiesen, die Errechnung der Sozialhilfe ist von anderen Sozialleistungen abhängig, der Arbeitgeber läßt mit der Ausfüllung der Verdienstbescheinigung auf sich warten oder der Vermieter mit der Ausfüllung seiner Mietbescheinigung, es gibt immer noch Schlechtwettergeld, die Lohnsteuerrückzahlung kommt nicht. In diesen Momenten, da alle Planungen über den Haufen geworfen sind, ist eine psychosoziale Betreuung und ein Tätigwerden des Sozialberaters zur Beschleunigung der Zahlungen unentbehrlich.

Die Ämter selber - auch das Sozialamt - leisten immer weniger vor, was zu weiteren Mahnkosten bei den Betroffenen führt und einen sinnvollen Abzahlungsplan kaum mehr gewährleisten läßt. Dies führt zu immer mehr Improvisationen - der Schuldnerberater handelt letztlich auch so wie der Schuldner selber. Weitere Rechte müssen geprüft werden, wobei der Schuldnerberater oft den fachlichen Rat von Spezialberatern in Anspruch nehmen muß. Umfangreiche Gesetzestextsammlungen müssen zugelegt werden, wobei für BSHG und AFG eine Verordnungssammlung zu empfehlen ist, da Leitfäden oft zu kurz greifen, örtliche Bestimmungen verallgemeinern und manche Entscheidungen für die Betroffenen zu positiv darstellen.

Nur die Hälfte der Sozialhilfeberechtigten nimmt bekanntlich ihr Recht auf BSHG-Leistungen in Anspruch. Die Verzichtenden finden selten den Weg in die Beratungsstellen. Häufig werden einzelne Anspruchsmöglichkeiten von den Betroffenen, aber auch von den Sozialamtssachbearbeitern übersehen. Wenig wird auch die Möglichkeit in Anspruch genommen, über Lohnsteuerermäßigungen seine Einnahmen zu erhöhen, um damit besser Schulden abzahlen zu können. Wichtig ist auch, alle Amtsbenachrichtigungen rechtzeitig schriftlich durchzuführen, auch wenn z. B. nur die neue Kontonummer bekanntgegeben werden soll. Andernfalls könnten sich wieder neue, kaum zu überwindende Schwierigkeiten ergeben.

Zu erwähnen wäre noch die Möglichkeit von (erlaubten) Nebenarbeiten. Es ist bei den Sozialhilfeempfängern weitgehend unbekannt, daß sie nebenher bis zu 25% des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes verdienen können.Diese zusätzlichen etwa 100 DM können oft gute Dienste bei Vergleichen leisten. Ähnliches gilt für Arbeitslose und Frührentner. Jeder Berater hat selber begrenzte Möglichkeiten, Nebenarbeiten anzubieten. Die alleinstehende Mutter kann sich als Tagesmutter für ein 2. Kind anbieten. Dabei sollte der Hilfesuchende darauf aufmerksam gemacht werden, dass es von Vorteil ist, selber Anzeigen aufzugeben und dabei nicht die Geduld zu verlieren.

Die Summe aller Einnahmen stellt für viele Betroffene sowie auch für die Gläubiger oft eine unglaubliche Höhe dar. Wie viel oder wenig das aber wirklich ist, kann man erst nach Abzug der fixen Ausgaben ermessen.

Die Ausgaben des Schuldners

Oft wird bei Überschuldeten oder bei von finanziellen Engpässen Bedrohten unwirtschaftliches Verhalten vermutet. Die Praxis aber zeigt, daß in der überwiegenden Zahl aller Fälle die Schuldner, bevor sie sich an eine Beratungsstelle wenden, selber schon umfangreiche Einsparungen vorgenommen haben.

Nur bei Versicherungen sind in der Regel zu hohe Ausgaben festzustellen. Hier trägt aber weniger der Versicherte selbst die Schuld als die Versicherungen, die den Kunden mit aggressiven Verkaufsgesprächen geradezu in die Überversicherung drängen. Versicherungen können zudem meist nur langfristig gekündigt werden. Stellt man aber dar, daß man zu zahlen nicht mehr in der Lage ist und Zwangseintreibungen fruchtlos enden werden, sind die Versicherungen oft zu außervertraglichen Kündigungen bereit. Allgemein zu hohe Ausgaben sind noch bei neu von Arbeitslosigkeit Betroffenen festzustellen. Sie empfinden ihren Zustand nur als vorübergehenden und hoffen daher, die aufgerissenen Löcher bei Fortführung ihres früheren Lebensstandards bald wieder mit einem zu erwartenden Einkommen stopfen zu können. Hier sind intensive Diskussionen mit manchem Arbeitssuchenden über mehr Realismus angebracht, um ihn dann evtl. doch von der Notwendigkeit weiterer, schneller Einsparungen überzeugen zu können.

Zusätzlich zu den von dem Schuldner vorgenommenen Einsparungen wird auch dem Berater aus eigenen Erfahrungen oder der anderer Klienten noch einiges einfallen (Tesamoll an die Fenster, Preisvergleiche auflisten, Fahrrad statt Bus, Zigaretten selber drehen - oder kann man ganz aufhören? etc.). Bei kritischen Fällen ist es aber sicher von Vorteil, systematische Verbrauchsgewohnheiten zu untersuchen und (verbunden mit einer Familien- oder Verbraucherberatung) dem Konsumenten praktische Wege preisbewußten Haushaltens aufzuzeigen.

Nach Auflistung aller festen (laufenden) Kosten muß ein Ausgabensatz pro Kopf und Woche für die variablen Ausgaben festgesetzt werden, der bei Alleinstehenden 65 DM und bei Mehrpersonenhaushalten 50 DM pro Kopf nicht unterschreiten sollte. Bei vorübergehenden Notlagen kann man schon einmal kurzfristig unter diesen Sätzen bleiben. Die Gläubiger müssen immer darauf hingewiesen werden, daß auch diese Sätze über lange zeit kaum durchgehalten und eventuelle Nebenverdienste oder Sondervergütungen nicht voll abgeführt werden können, da immer wieder außergewöhnliche Belastungen wie Reparaturen, notwendige kleine Anschaffungen, Stromnachzahlungen usw. anfallen werden.

Schulden und ihre Rückzahlung

Nach Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben kommt der spannende Moment der Errechnung des Überschusses bzw. der Unterdeckung. Hier stellt sich bei dem Ratsuchenden oft Ernüchterung ein, weil er selber höhere Abzahlungsraten versprochen hat und ihm jetzt erst die Unmöglichkeit ihrer Einhaltung vor Augen geführt wird. Auf Grund dieser Berechnung kann er verstehen, warum er bisher die versprochenen Raten gar nicht einhalten konnte und wird somit auch erst den Gläubigern überhaupt dieses Problem vermitteln können.

Bei der Auflistung der Schulden sollten die einzelnen Forderungen, getrennt nach Kredithöhe und Kreditkosten der Gläubiger, die lfd. Zinsen und die Soll-Zahlungsrate erfaßt werden. Die Schulden listet man auf Grund der unterschiedlichen Verfahrensmöglichkeiten am besten getrennt nach öffentlich-rechtlichen, privaten, Bankgläubigern usw. auf. Alle Posten werden dann noch einmal durchgeprüft und ein möglicher Abzahlungsplan erstellt. Nach Feststellung aller Daten kann dann eine Entschuldungsstrategie gemeinsam erarbeitet werden.

Vorerst ist aber noch zu prüfen, ob auch genügend Einnahmen zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten gesichert sind. Hierbei stößt man auf einen Widerspruch der Gesetzgebung. Nach § 4 BSHG ist Sozialhilfe nicht pfändbar. Eine richtige Entscheidung zur Sicherung der Mindestlebenshaltungskosten. Auch wenn der Sozialhilfeempfänger von seiner Hilfe noch 50 oder 100 DM monatlich für den Schuldendienst abzweigen will, so kann man durch den Pfändungsschutz leichter auf Grund der Freiwilligkeit auch Konzessionen seitens der Gläubiger einhandeln. Bezieht aber der Schuldner noch andere Einnahmen, auch wen er noch zusätzlich ergänzende Sozialhilfe erhält, dann sind diese entgegen den Aussagen vieler Kommentare pfändbar. Ein Sozialhilfeempfänger kann seine Einnahmen voll behalten, dem Lohnarbeiter mit dem gleichen Einkommen wird aber noch etwas weggepfändet, so daß er meist ein Einkommen weit unter dem Sozialhilfesatz erzielt. Hierzu wird von den Betroffenen zu Recht Unverständnis geäußert, und sie fragen sich, warum sie überhaupt noch arbeiten, wenn sie dadurch weniger Einkommen haben und dies nur als Strafe für ihre Arbeit verstehen können. Deswegen ist unbedingt eine Gesetzesinitiative erforderlich, und zwar eine Erhöhung der Pfändungsfreigrenze, so daß grundsätzlich alle Einkommen zumindest bis zum Sozialhilfebedarfssatz pfändungsfrei bleiben.

Ein anderes, häufig auftretendes Problem ist auch, daß die Kreditraten von dem auf das Girokonto eingehenden Einkommen gleich abgezogen werden, wenn beide Konten bei der selben Bank geführt werden.Somit verbleibt den Schuldnern oft auch zu wenig für den laufenden Bedarf und ihnen wird kaum etwas anderes übrig bleiben, als bei einem anderen Institut ein neues Girokonto zu eröffnen. Sollten diese sich wegen der negativen Schufa-Auskunft verweigern, dann wird es meist noch möglich sein, dieses bei der Post zu eröffnen.

Das Entschuldungsverfahren

Es gibt eine große Anzahl von Sanierungsmethoden und unzählige Kombinationen. Jeder Fall hat praktisch seine Besonderheit und muß deshalb unterschiedlich behandelt werden.

Die unkomplizierteste Art bei Rückzahlungsschwierigkeiten ist die Ratenaussetzung bzw. die Ratensenkung. Bei der Ratenaussetzung werden hohe Kosten berechnet, die aber oft sittenwidrig sind, wobei dann am Ende der Ratenzahlungen dieser Betrag einbehalten werden kann. Unter Umständen kann auch ein Antrag auf eine kostenlose Ratenaussetzung Erfolg haben. Zur Umgehung von kostenaufwendigen Ratenaussetzungen sollte man aber erst die Möglichkeiten prüfen, ob man Vorschüsse auf absehbare Zahlungen wie Lohnsteuer oder Wohngeld erhalten kann. Auf einen Antrag nach Ratensenkung gehen die Banken relativ schnell ein, denn somit erhalten sie recht lange einen Dauerkunden für ihr Kreditgeschäft. Daher sollte der Schuldner vor einer allzu starken Kürzung gewarnt werden und eher durch weitere Ausgabenkürzungen die bisherige Rate beibehalten werden.

Liegt die maximal mögliche Ratenzahlung noch immer unter den Zinsen oder auch nur knapp darüber, sind andere Wege zu suchen. Einmal kann man mit dem Gläubiger selber Zinsaussetzungen auszuhandeln versuchen oder sich um einen zinsfreien bzw. zinsgünstigen Kredit bei einer Stiftung, dem Sozialamt oder anderen Umschuldnern (z. B. Fonds) bemühen. In besonderen Fällen sind auch gestaffelte Raten möglich, wenn in Zukunft beispielsweise mit einer Einkommenserhöhung oder mit saisonal unterschiedlichen Einkommen zu rechnen ist. Auf Grund der zur Zeit niedrigen Zinsen geben die Banken auch bei festen Verträgen mit den Zinssätzen nach, wenn man auf entsprechende Angebote der Konkurrenz hinweist. Laut Verbraucher-Zentrale sind Umschuldungen nur bei einem Nachlaß von über 3% sinnvoll,[1] daher ist von dem Gebrauch der letzten Möglichkeit eher abzuraten. Anders ist das natürlich bei Schuldnern, die im Grunde genommen ihre Schulden begleichen können und nur in Schwierigkeiten geraten sind, weil mehrere Gläubiger zur gleichen Zeit ihre Forderungen eintreiben wollen.

Liegt der effektive Zinssatz bei über 20%, wird der Kredit nach der Formel in der Broschüre der Verbraucher-Zentrale[2] auf seine Sittenwidrigkeit hin überprüft. Die Verbraucher-Zentrale sieht diese bei einem um 91% über dem Schwerpunktzinssatz liegenden Zins als gegeben an. Die AGV bestätigt Sittenwidrigkeit schon bei 85% über dem Schnitt.[3] Liegt Sittenwidrigkeit vor, so kann man, ist die Hauptforderung beglichen, die Zahlung einstellen und die Mahnungen einem Rechtsanwalt übergeben. Andernfalls kann man bei einem positiven Urteil die Hauptforderung zinslos bis zu dem Ende der ursprünglichen Laufzeit des Kreditvertrages zurückbezahlen.

Liegt eine langfristige Unterdeckung vor, dann wird ein Entschuldungsverfahren komplizierter. Dies ist bei der Mehrzahl der Ratsuchenden der Fall, da die oben beschriebenen Möglichkeiten von den Schuldnern selber, bevor sie eine Beratungsstelle aufsuchen, meist erfolglos versucht wurden. Ein wiederholter Anlauf mit besserer Argumentation sollte aber dennoch unternommen werden.

Die Erhaltung des Arbeitsplatzes von Arbeitnehmern bzw. von Beschäftigungs-Chancen bei der Arbeitssuche ist für Schuldnerberater oberstes Ziel. Hiervon hängt auch im wesentlichen die Stabilität des Schuldners und seiner Familie ab. Im Interesse der Klienten sind also Lohnpfändungen auf alle Fälle zu verhindern, weil diese oft - und so formell nicht begründet - zu Kündigungen oder Einstellungsablehnungen bei Bewerbungen um einen neuen Arbeitsplatz führen.

Bei Sozialhilfeempfängern sollten sich eigentlich Vergleiche und auch Ratenvergleiche leichter durchsetzen lassen, da bei ihnen Zwangseintreibungen nicht möglich sind. Dies ist auch weitgehend bei Privatgläubigern der Fall. Öffentlich-rechtliche Gläubiger sind sogar bei einer fundierten Begründung zu ersatzlosen Ausbuchungen zu bewegen. Schwerer mit Ratenvergleichen tun sich die Banken. Örtliche Banken bzw. Sparkassen kann ein Berater noch eher zu Konzessionen bewegen, da die Entscheidung vor Ort gefällt wird, für die Kleinbanken Konsumentenschulden einen wesentlichen Posten ausmachen und auch kommunalpolitische Einflüsse eine Rolle spielen können.

Anders verhält es sich bei den Großbanken. Ihre geringere Flexibilität drückt sich darin aus, dass der örtliche Filial-Abteilungsleiter .keine Entscheidungen fällen kann und die Zentralen sich mit solchen arbeitsaufwendigen, für sie nebensächlichen Forderungseintreibungen kaum beschäftigen wollen.

Auch dann, wenn man im Falle der Arbeitsaufnahme die volle Rückzahlung des ursprünglichen Kredites anbietet, wird oft lapidar in Antwortschreiben auf Vergleichsanträge ein fehlender »guter Wille vermutet und Vollstreckungsmaßnahmen bei einer möglichen Arbeitsaufnahme angedroht. Dabei ist es kein Geheimnis, daß bei Vorstellungsgesprächen von Arbeitgebern die Frage nach evtl. Schulden gestellt wird, was bei einer Bejahung zu Nichteinstellungen führen kann. Somit wird die Bank also kaum die Chance zu Pfändungen erhalten. Man gewinnt deshalb bei den Verhandlungen den Eindruck, daß die Banken lieber auf einen teilweisen Zahlungsrückfluß verzichten, um nicht mit ihrem Prinzip der Vollstreckung bei Zahlungsverzug brechen zu müssen.

Einerseits sollte eine »Lobby« entstehen, die die Bankzentralen zu einem flexibleren Verhalten veranlaßt, andererseits Inanspruchnahme auf eine Stiftung zwecks Umschuldung möglich sein. Bietet man bei unpfändbaren Einkommen der Bank oder den anderen Gläubigern Teilrückzahlung in einer sofort zahlbaren Summe an, gehen diese erfahrungsgemäß schnell darauf ein. Die bestehenden zentralen Stiftungen tun sich allerdings in den Fällen der Unpfändbarkeit schwer, weil sie befürchten, daß sie ihre Kredite abschreiben müssen. Außerdem springen sie häufig nur bei (kinderreichen) Familien oder Haftentlassenen ein.

Eine höhere Flexibilität bescheinigt Ulf Groth bei seiner Untersuchung den regionalen Fonds. Diese können enger mit den örtlichen Sozialberatern zusammenarbeiten. Bei Rückzahlungsverzug ist also eine Zwangseintreibung wie für den Zentralfond gar nicht so notwendig, da der Berater bei erneut auftretenden Schwierigkeiten in der Schuldnerfamilie helfend eingreifen kann. Durch eine ganzheitliche Betreuung wird eine Weiterzahlung der Raten eher möglich gemacht. Dem wäre noch hinzuzufügen, daß diese Fonds in ihren Vergaberichtlinien die Bedingung stellen sollten, daß sie nur bei einem Verzicht der Gläubiger auf z. B. mindestens 50% der Forderung einspringen. Fehlt dieser Hinweis, werden die Banken und Versandgeschäfte sonst höhere Forderungen stellen.

Perspektiven der Schuldnerberatung

Manchmal wird kritisiert, dass durch intensives Eingreifen des Beraters Klienten entmündigt und abhängig gemacht werden. Aber jeder Berater wird sicher soweit wie möglich den Hilfesuchenden über die notwendigen Schritte aufklären und soviel wie möglich in dessen Händen belassen. Vielmehr ist es das undurchschaubare Recht, die Verordnungsflut und die Überlastung der Sachbearbeiter auf den öffentlichen Ämtern, die zur Hilflosigkeit der Laien führen. Daß ein Kunde des Schreibens unkundig ist, bleibt sicher die Ausnahme. Um aber grundsätzlich den »mündigen Schuldner« vorfinden zu können, sollten Haushaltsführung und -planung, Umgang mit Behörden und Gläubigern, Schriftverkehr, Miet und Vertragsgesetze, Verbraucherschutz usw. in den Schulen berücksichtigt werden und müssen noch mehr Eingang in unsere Medien finden. Klienten wagen sich erfahrungsgemäß meist immer erst »Fünf vor Zwölf« in eine Beratungsstelle. Verschämt tragen sie Details ihrer Finanzsorgen vor. Sie selber haben die Flut der Vorurteile gegenüber Arbeitslosen und Armen verinnerlicht. Auf Grund ihrer genauen Kenntnisse haben die Schuldnerberater besonders die Verantwortung, sich in der Öffentlichkeit mit den Schuldnern zu solidarisieren. Nur so werden die Betroffenen sich leichter zu ihren Problemen bekennen können und rechtzeitiger um Rat anfragen.

Literatur

Sozialhilferatgeber, Arbeiterwohlfahrt, Bezirksverband Oldenburg, Klingenbergstr. 73.

Leitfaden für Arbeitslose für Sozialhilfe für Behinderte. FB Sozialarbeit, Limescorso 5, 6 Frankfurt 50.

Arbeitslosen- und Sozialhilfeleitfaden, Sozialpädagogisches Institut der AW Berlin, Hallesches Ufer 32-38, 1000 Berlin 61.

Steuern für Arbeitnehmer im Dauerbezug, Bund-Verlag, Köln. AFG 1985, Bund-Verlag, 5 Köln 90, Postfach 90 08 40. BSHG-Kommentar, Mergler/Zink, Loseblattsammlung, Kohlhammer-Verlag.

BSHG-Kommentar, Schellhorn und Sozialhilferecht von Schellhorn, Bund-Verlag. Hinweise zur Sozialhilfe, Elbe-Druckerei, Hannover.

Hilfe für verschuldete Arbeitnehmer, Verbraucher-Zentrale NRW, Düsseldorf »Schuldenregulierung als praktische Sozialarbeit« in Theorie und Praxis der sozialen Arbeit 5/85, S. 177.

Blätter der Wohlfahrtspflege Nr. 10/85 »Schuldnerberatung in der sozialen Arbeit«, Wohlfahrtswerk, Falkertstr. 29, 7000 Stuttgart 1.

Wenn das Wasser bis zum Hals steht, Ulf Groth, Sozialmagazin, April 1982. Borgen ohne Sorgen?, Verbraucher-Zentrale Niedersachsen.

Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Hrsg. Arbeitskammer des Saarlandes.

Schuldenregulierung 1984, ISS, Am Stockborn 5-7, 6 Frankfurt 50.

Schuldnerberatung in der Sozialarbeit, Jugendamt der Stadt Grevenbroich, Postfach 10 05 40, 4048 Grevenbroich 1.



[1] Sittenwidrige Ratenkredite, Verbraucher Zentrale Hamburg, 1983.

[2] Siehe ebd.

[3] Hannovershe Allgemeine Zeitung „Viele Kredite überteuert", 24.9.1983



[1] Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung per Adresse: Schuldner- und Verbraucherschutz Kassel, Gottschalkstr. 51, 3500 Kassel, Tel.: 05 61/89 30 99.


[1] Ulf Groth, Schuldnerberatung, Frankfurt 1985, Campus-Verlag

Letzte Aktualisierung ( 26.02.2009

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