Donnerstag, 26. Februar 2009

Gelobt sei, was hart macht...?

Immer wieder und noch die alten Phrasen und Methoden, immer wieder und noch den preussischen Ladestock im Rücken, und dazuhin jenen Stock verschluckt, der uns auf eben diesem Rücken tanzte, als man uns prügelte?...

"Gelobt sei was hart macht", sagte der Vater meiner Freundin zu ihr, und prügelte sie, wenn sie weich war, um sie für das Leben zu stählen. Er selber landete im Irrenhaus, sie nicht - sie liess sich nicht hart machen, nur eigensinniger noch...

"Heute muss man hart sein", höre auch ich, rieten zeitweise auch meine Eltern mir, wurden heftig, wenn es nicht so klappte...

Soll es immer so weiter gehen? Haben wir nichts Menschlicheres auf Lager, nach allen den Erfahrungen der Unmenschlichkeiten, des Gegeneinander, der Vernichtungen und Kriege, der KZ's, der Gefangenenlager, und so weiter...? Haben wir auf alle Schwierigkeiten keine anderen, besseren Antworten, als nur wieder gegeneinander, und wieder die alten Schrullen der Vergangenheit?

Da sind einerseits die erstarrten, alten Monolithen, wie Religion, Papst, und die Luthischen - oder sonstwie genannten, andererseits das sogenannte moderne politische Feld, das aber gar nicht so modern anmutet. Die Erziehungseinrichtungen verkommen zwischen Anpassung der Kinder an die sogenannten beruflichen Erfordernisse, und das möglichst schon in den Windeln, und gestrigem Denken, samt Gefährdung und Misshandlungen.

Orientierung ist schwer, und die Suche danach wird den Eltern und Erziehungsberechtigten zunehmend aus der Hand geschlagen. Es wird auch wenig Hilfe dazu angeboten. Wozu auch? Die Kinder werden fast schon bei der Geburt vorsortiert, und danach selektiert, für den späteren Gebrauch, oder auch nicht...

Es ist zum Kotzen....

Dazu etwas von Roberto J. De Lapuente:

http://ad-sinistram.blogspot.com/2009/02/starke-zeigen.html


Stärke zeigen!

Donnerstag, 26. Februar 2009

Seid starkt, ihr jungen Menschen! Zeigt keine Schwächen! Preist eure Stärken an, versteckt die Schwächen, auch die noch so kleinen - kaschiert sie, verleugnet sie, drappiert sie ins Gegenteil. Erklärt die Antithese zur These, macht aus Schwächen Stärken! Schwächen offen zu bekunden, bedeutet sich als Schwächling zu offenbaren. Schwächlichkeit ist Ausdruck einer falsch verstandenen Humanität. Der Schwächling erntet nicht Sympathie, er erzielt Skepsis, Bedauern und Ablehnung, die zuweilen wie Sympathie wirken mögen, aber das glatte Gegenteil dessen sind. Wer Schwächen zeigt, bleibt auf der Strecke – drum zeigt eure Schokoladenseiten, zeigt Stärke, macht euch zu Starken, zu unfehlbaren und unkippbaren Größen, merzt in euch aus, was schwach anmutet, was auch nur in den Ruch der Schwäche geraten könnte!

Bewerbt euch mit Stärken bei potenziellen Arbeitgebern, zeigt eure Vorzüge auf, wiegelt alles an Schwächen ab, was in Bewerbungsgesprächen auftaucht. Ihr habt keine Schwächen! „Ich weiß nicht“ und „ich kann nicht“ gibt es nicht – habt ihr keine Antwort auf die Fragen des Personalleiters, antwortet dennoch, laviert und ufert aus, macht aus der vorübergehenden Schwäche eine zu verkaufende Stärke. Fragt er euch danach, ob ihr diese oder jene Tätigkeit schon einmal gemacht habt, so bejaht fern des wirklichen Wahrheitsgehaltes. Und seid ihr dann eingestellt, unterläuft euch einer jener Fehler, die jedem Arbeitenden unterlaufen kann, so schiebt es auf einen Kollegen. Keine Schwäche zeigen! Der Schwache ist immer der andere. Ihr wisst alles, ihr könnt alles – ihr seid alles! Geißelt euch euer Vorgesetzter, behandelt er euch ungerecht: seid stark - und schweigt! Wer schweigt verstärkt seine Stärke; wer erduldet erstarkt; wer Ungerechtigkeit und Unterdrückung seitens der Obrigkeit hinnimmt, dem ist Stärke nachsagbar.

Trifft euch dann ein Virus, kratzt es im Hals, drückt es im Darm, so bleibt hart zu euch selbst, bleibt stark. Krankheit ist Schwäche! Und Schwäche ist unmenschlich! Kämpft euch durch den Durchfall, damit ihr nicht als zu schwach durchfallt. Verschleppte Grippen als Gefahr sich schwerere Infekte einzufangen sind Erfindungen der Medizinbranche! Macht euch euer junges Menschenleben zwischenmenschliche Sorgen, zwickt es bei Liebesdingen, nötigt euch die Feierlaune, drangsaliert euch jugendliche Amüsiersucht? Das sind Schwächen - hinfort damit, verbeißt sie euch! Drückt doch einmal das Herz, macht Liebesleid das Leben unerträglich, so bekämpft die Tränen. Wer weint ist schwach; wer schwach ist, kann keinen Erfolg haben; wer keinen Erfolg hat, steigt sozial ab; wer sozial abgestiegen ist, fristet ein menschenunwürdiges Leben. Merkt euch: Wer schwach ist, ist kein Mensch mehr!

So hat man es euch gelehrt. So lehrte man es schon eure Väter und Mütter. Gezeigte Schwächen als Sinnbild der Menschlichkeit sind romantische Vorstellungen, sind anachronistische Anschauungen aus den Köpfen von Schwächlingen. Probiert es: Zeigt nur einmal Schwäche - ihr werdet ausgebeutet, geschächtet, hingerichtet! Probiert es ruhig! Aber behaltet ihr Souveränität, so werdet ihr dienlich und nützlich sein, werdet ihr nicht am Plump-Menschlichen leiden, werdet ihr ein nutzvoller Bestandteil der Gesellschaft sein. So lehrte man es auch euren Vorgängern, so lehrt man es seit Jahrzehnten. Stärke ist das Zauberwort, der Schwache wird geschmäht, wird durch diese Lehre aus der Welt gezüchtet. Wir brauchen keine Vernichtungslager mehr, die Menschheit hat gelernt, dass die Lehre von der Stärke das Schwache langsam aber sicher vertilgt. Wer Mitleid mit dem Schwachen hat, gefährdet das Starke - laßt es verrotten; laßt den Schwachen liegen, für ihn ist diese Welt nicht gemacht. Drübersteigen, weitermachen!

Keiner von euch jungen Menschen fährt mit einem aufgeklebten „Fahranfänger“-Schriftzug motorisiert durch die Lande – ihr erhaltet die Fahrlizenz und wißt aus den Kanälen, die die Lehre verbreiten, dass Schwäche nicht zur Schau gestellt werden darf. Einige von euch schämen sich ihrer dicken Körper, weil die Fettpolster einer Schwäche nach Schokolade, nach Chips oder nach anderen Köstlichkeiten geschuldet sind. Der Dicke ist der immer sichtbare Schwache auf dem Pranger des körperlichen Alltages. Ihr könnt alles, auch wenn ihr es nicht könnt; ihr wißt alles, auch wenn ihr keine Ahnung habt; ihr macht alles, auch wenn ihr nicht wißt, was genau ihr da eigentlich macht. Folgen des Starkseins, logische Folgen, die mittels der immer und überall aktivierten Prägung, wonach Schwäche den Untergang bedeutet, zu einem überhöhten Selbstbewußtsein führen sollten. Ein Selbstbewußtsein, dass sich aber durch höchste Verunsicherung junger Menschen äußert. Immer sollen sie stark, immer sollen sie souverän, blitzgescheit und lexikalisch gebildet sein, dürfen keine Schwächen haben, sollen private Schwächen vergraben, sich hinter der Maske vermeintlicher Stärke verstecken.

Was herauskommt ist eine orientierungslose Jugend, die zwar die Prämissen des Hier und Jetzt einigermaßen kennt, wenn auch nur oberflächlich; eine Jugend, die die Prinzipien der Konsumgesellschaft, der Heilslehre der Kaufhauswelten begreift und umsetzt, aber keinerlei Werte außer Kosten- und Nutzwerte kennt. Denn was durch Kosten und Nutzen geschliffen wurde, dass hat sich als stark erwiesen – während alles, was vielleicht kostet, aber keinen wesentlichen Nutzen hat, weil es immateriell ist, weil es nicht faßbar ist für eine materialistische Gesellschaft, ein schwaches Etwas darstellt. Daher seid stark, ihr jungen Leute, knickt nicht ein, damit ihr innerhalb dieser Realität ein starkes Schauspiel abliefert. Entfernt das antiquierte Menschliche, entfernt die Schwächen des Menschen, das Vermenschlichte und Verweichlichte, merzt aus, was euch im irdischen Konsumdasein hemmt; tilgt, was euch im materiellen Verwertungsdiesseits einschränkt; beseitigt, was euch in eurer zugeteilten Rolle als Käufer und Angestellte molestiert. Dazu bedarf es der Stärke, denn wer schwach ist, wer zu schwächlich zum Ausmerzen, Ausrotten und Zerschlagen ist, der steht sich selbst im Wege, wird nicht weit kommen. Er bleibt prekärer Angestellter – bestenfalls; bleibt daher eingeschränkter Käufer, spielt seine zugedachte Rolle nicht mit der Hingabe, die man eigentlich von ihm erwartet.

Man wiederholt es stetig, zeigt es auf, macht es vor, verdeutlicht es: wer sich Schwächen erlaubt, macht sich schuldig am Gesellschaftauftrag, nimmt willentlich in Kauf, seinen Part innerhalb dieser Gesellschaft nicht übernehmen zu wollen. Diese Welt, diese radikal ökonomisierte Welt, ist aber ein Schauspiel der Starken, der Eingereihten, der im Gleichschritt Marschierenden – wer individuell ist, wer sich sein eigenes Menschleinsein zu gewichtig zu Herzen nimmt, der schwächelt, und sollte er diesem Irrglauben nicht abschwören, dann bleibt er zeit seines Lebens ein Schwächling. Das wird euch gelehrt! Das zeigt man euch auf! Was soll aus euch jungen Menschen denn dann auch anderes werden als orientierungslose, enthumanisierte und des Zusammenhangsdenkens unfähige Gesellen, die ihr einziges Heil, ihre einzige Bestimmung, ihre Rolle eben, lediglich in Konsum und Karriere zu sehen glauben? Stärke sollt ihr zeigen, pflanzt man euch allerorten in die Gehirnwindungen – und dann strotzt ihr so vor Stärkeglauben, dass ihr hilflos wirkt, vollkommen entmenschlicht, im höchsten Grade hilflos, weil ihr so entmenschlicht dreinschaut. Euch fehlt ein Bezugspunkt, eine Werteskala, etwas Transzendentes, dem man nicht aus Nutzenkalkül heraus frönt, sondern weil es, platonisch ausgedrückt, dem Schönen, dem Wahren und dem Guten zustrebt. Davon wißt ihr nichts, weil man euch dieses Wissen vorenthalten hat, weil es kein materialistisches Wissen ist, welches nutzvoll verwertbar wäre. In diesem Unwissen steht ihr da, laßt eure Muskeln spielen, seid stark und selbstbewußt und doch schwächlich ohne Heimat, weil das Menschsein euch mehr und mehr abhandenkommt, weil ihr der zur Kritik unfähige Automat eures Arbeitgebers, weil ihr das dumpfe Wahlvieh eurer Anführer, weil ihr der gierige Konsument eurer Versorgerkonzerne seid. Mehr sollt ihr, mehr dürft ihr nicht sein!

Damit steht ihr nicht alleine. Die Vorgängerjahrgänge waren auch einmal jung, erzählt hat man ihnen ebenso, dass in dieser Welt nur der Starke fortexistiert. Das haben sie aufgesogen, haben versucht es zu kultivieren. Heute sind sie nicht mehr orientierungslos in diesem Gemenge aus Konsum und Nützlichkeitsdenken. Sie leben darin und begreifen es als ihr zynisches Heil; als einzig machbares Heil; als Heil, welches dieser Welt immer irgendwie zugrundelag, als habe es nie etwas anderes als Konsum und Expansion und noch mehr Konsum und noch mehr Expansion gegeben. Im Materiellen haben sie ihr Transzendentes gefunden, ihr Schönes, Wahres, Gutes. Ihr Wert ist das Haben, das Verdienen – tut jemand etwas umsonst, aus Freude an der Sache, schreibt beispielsweise jemand Texte, ohne daran zu verdienen, ohne daran auch nur verdienen zu wollen, dann fragen sie nach dem Einkommen, welches so ein Schreiben mit sich bringe. Man enttäuscht sie, wenn man ihnen erklärt, dass nichts Kontofüllendes dabei herumkommt – was nicht bezahlt wird, hat keinen Wert; was keinen Wert hat, wird nicht bezahlt!

Seht aber in die trüben Augen dieser menschengleichen Wesen! Ist das die vielzitierte und vielbesungene Lebensfreude? Trübe, stumpfe, unterlaufene Augen? Mattheit und Müdigkeit im Blick? Ist das der Sinn des Lebens? Und wenn sie dann unnütz geworden sind, weil sie entweder das Alter oder die Arbeitslosigkeit dazu verdammte, entleeren sie ihr Dasein, finden darin keinerlei Wert mehr, empfinden sich als Ballast – ist dies das Ziel? Nachahmenswert? Ist es wirklich der Kopie eines solchen Lebensentwurfes wert, wie einst die Väter und Großväter sein Leben so weit zu entleeren, dass außer Konsumgüter horten und Karriere vorantreiben keinerlei Inhalt mehr bleibt?

Seid stark, ihr jungen Leute! Ja, seid stark! Laßt euch von denen, die euren Willen brechen, die euch manipulieren und verdrehen, die euch zu ihrem Werkzeug machen wollen, nicht unterkriegen. Dazu bedarf es geistiger Stärke. Nur diese Stärke, nur eure Stärke kann es bewirken, dass eines Tages ein Umdenken stattfindet. Findet wieder Werte, die sich am Schönen, Wahren und Guten orientieren, findet wieder Gefallen an Werten wie Freundschaft, Zeit, Liebe... ; schätzt wieder die sogenannten Kleinigkeiten des Lebens, die das Leben erst lebenswert machen; seht freie Zeit nicht als temporäre Spanne, die unbedingt mit irgendetwas, mit Einkäufen oder anderen Konsumeinheiten, ausgefüllt werden muß, damit sie möglichst schnell verrinnt; seht Zeit nicht als totzuschlagende Minuten- und Sekundeneinheiten. Transzendente Werte zu finden bedeutet nicht, sich einen neuen Gott zu erfinden – es bedeutet lediglich eine Rückkehr in ruhigere Gefilde, in weniger hektisches Wirtschaften, in ein gemütlicheres Dasein, in ein Leben in menschlicheren Bahnen. Der Fortschritt des menschlichen Lebens verfestigt sich nicht im rapiden Fortschritt einer technisierten Welt; der Fortschritt sollte sich daran messen, wie sehr Menschen abgesichert sind, ein freies und selbstbestimmtes Leben leben können, Zeit für sich haben dürfen und können. Doch für so einen Fortschritt braucht es Stärke...

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