Freitag, 23. Januar 2009

Folterverbot alleine genügt nicht:

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23.01.2009
US-Gefangenenlager Guantanamo (Bild: AP) US-Gefangenenlager Guantanamo (Bild: AP)

Nowak: Folterverbot allein reicht nicht

UN-Sonderberichterstatter fordert Wiedergutmachung für Guantanamo-Opfer

Manfred Nowak im Gespräch mit Leonie March

Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, hat das vom neuen US-Präsidenten Obama ausgesprochene Folterverbot begrüßt. Wenn eine ganze Administration an den Einsatz harter Verhörmethoden gewöhnt sei, müsse ein Verbot aber auch durchgesetzt werden, betonte Nowak.

Leonie March: Das Ende von Guantanamo war eines der wichtigsten Wahlversprechen von Barack Obama. Schon in den ersten Tagen seiner Amtszeit als Präsident hat er die Weichen dafür gestellt. Innerhalb eines Jahres soll das Lager geschlossen werden, kündigte Obama gestern an. Gleichzeitig hat er die umstrittenen Verhörmethoden verboten, die von der Bush-Regierung gebilligt worden waren - nicht nur in Guantanamo, sondern auch im Irak, in Afghanistan und in geheimen CIA-Gefängnissen, die jetzt auch aufgelöst werden. - Darüber spreche ich jetzt mit dem UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak. Guten Morgen, Herr Nowak!

Manfred Nowak: Guten Morgen.

March: Die Entscheidungen Obamas haben nach Ansicht der EU große symbolische Bedeutung. Sind sie für Sie denn mehr als nur ein politisches Signal?

Nowak: Ja, ganz sicher. Obama meint das ernst. Er hat das auch vorher schon angekündigt. Er möchte mit dieser Politik der Bush-Regierung brechen, hier Menschenrechte zu biegen, den internationalen Rechtsstaat nicht mehr einzuhalten, das absolute Folterverbot auszuhöhlen. Er möchte natürlich, er muss auch weiter den Kampf gegen den Terror führen, aber im Rahmen des Rechtsstaates und internationaler Menschenrechtsverpflichtungen.

March: Foltermethoden wie das simulierte Ertränken, das sogenannte "Waterboarding", sind jetzt auch in den USA wieder verboten. Können Sie einschätzen, wie weit verbreitet diese Methoden in den CIA- und in den Militärgefängnissen waren?

Nowak: Es ist nicht so, dass jeder des Terrorismus verdächtigte Häftling gleich dem "Waterboarding" unterzogen wurde. Das war schon eine der massivsten Foltermethoden gegen diejenigen, die als Hauptdrahtzieher gesehen wurden. Aber wenn man sich insgesamt ansieht, welche Methoden zum Beispiel in Guantanamo Bay ausdrücklich angeordnet wurden, dann ist das schon eine ziemlich breite Palette, die auch wiederum nicht bei jedem einzelnen Häftling dann dieses Ausmaß in Zufügung schwerer physischer oder psychischer Schmerzen oder Leiden erreicht hat. Aber doch haben wir viele Methoden, wo wir sicher sind, dass sie bei den einzelnen Opfern als Folter zu qualifizieren waren.

March: Reicht denn jetzt das Verbot durch das Dekret des Präsidenten, oder muss die Vergangenheit auch juristisch aufgearbeitet werden?

Nowak: Nein. Aber zuerst in die Zukunft: Das Verbot alleine reicht nicht. Er muss natürlich auch sehen, dass das umgesetzt wird. Wenn eine ganze Administration daran gewöhnt ist, dass man sehr, sehr harte Verhörmethoden anwenden kann, dann muss das allmählich durchgesetzt werden und das heißt auch jene, die es verletzen, müssen dann mit Konsequenzen zu rechnen haben.

March: Muss also auch George W. Bush angeklagt werden?

Nowak: Für Obama ist das erste erst einmal in der Zukunft zu sehen, dass sich die Praxis ändert. Das zweite ist, die Vergangenheit zu sehen, und da geht es nicht gleich um Anklage, sondern zuerst einmal um die Feststellung dessen, was wirklich war, also die Wahrheit, weil ja die Bush-Regierung immer abgestritten hat, dass sie Menschenrechte verletzt hat. Und wenn das geschehen ist durch eine eigene Untersuchungskommission oder eine eigene Personen, einen Investigator, dann muss man sich langsam anschauen, was sind die Konsequenzen. Da würde ich sagen ist einmal primär, dass die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auch wirklich Wiedergutmachung bekommen, und das zweite dann, welche Konsequenzen gegen die Täter. Das können disziplinarrechtliche Strafen sein, aber bis hin natürlich auch zum Strafrecht.

March: Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt schließen Sie eine Anklage gegen Bush nicht aus?

Nowak: Das habe ich nicht gesagt. Ob es wirklich zu einer Anklage kommen wird, das ist eine letztlich politische Entscheidung. Was ich als unabhängiger UNO-Experte gesagt habe ist: Rechtlich gesehen sind die Vereinigten Staaten aufgrund der UNO-Konvention gegen die Folter verpflichtet, jeden einzelnen Fall auch wirklich strafrechtlich zu verfolgen. Das ist der einzelne CIA-Beamte oder Soldat, der wie in Abu Graib eben gefoltert hat, und dort gab es ja auch einzelne Fälle, die zur Verantwortung gezogen wurden, aber dann natürlich auch in der Befehlskette, wenn klar festgestellt wird, diesen Fall der Folter hat jemand angeordnet, dann ist auch dieser strafrechtlich zu verfolgen.

March: Kommen wir zu Guantanamo. Das Lager soll innerhalb eines Jahres geschlossen werden. In diesem Zeitraum müssen mehrere Fragen geklärt werden, unter anderem wo die Unschuldigen künftig leben sollen. In ihren Heimatländern droht ihnen zum Teil Gefängnis und Folter. Washington hofft, dass sich in Europa Gastländer finden. Wie stehen Sie zu dieser Frage?

Nowak: Ich habe das immer unterstützt. Ich glaube, wenn die Europäische Union klar gefordert hat, dass Guantanamo Bay zu schließen ist, dann ist das meines Erachtens auch fair, dass nicht alle der Häftlinge, die dann freigelassen oder irgendwo hin überstellt werden, in den Vereinigten Staaten dann weiterleben, sondern dass das auch ein Behörden-Sharing ist. Schließlich hat ja der von den USA vor allem geführte Kampf gegen den Terror nicht nur den Vereinigten Staaten genützt, sondern auch anderen, vor allem den verbündeten Staaten in Europa.

March: Eine weitere Frage ist, wie den bereits Angeklagten der Prozess gemacht werden soll. Sollten das Ihrer Meinung nach Militär-, oder Bundesgerichte übernehmen?

Nowak: Das sollte ein Bundesgericht übernehmen. Das sind Straftaten und wenn es genügend Beweise gibt, dann muss es möglich sein, dass diese vor einem ganz normalen Strafgericht einen fairen Prozess bekommen und trotzdem verurteilt werden und entsprechend bestraft werden.

March: Der UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, war das. Herzlichen Dank für das Interview.


Das Interview mit Manfred Nowak können Sie bis zum 23. Juni 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio



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